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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

XXI
    • •
    Vorladung

    Das Venushaar, ein stark schwarzglänzender Stein, enthält röthliche Haare in sich. Der vegentanische Stein findet sich zu Veji in Italien.
    Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
    XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«

    R emigius kratzte sich mit dem Ende des Federkiels den sauber gestutzten Bart. Sein bunter Mantel lag ihm lose um die Schultern, denn durch die geöffneten Fenster wehte eine wohltuend warme Mailuft in das Laboratorium, das seinen Namen nicht länger verdiente, weil Destillierkolben und andere alchemistische Apparaturen seit Wochen unbenutzt verstaubten.
    »Magnus Adam, was hast du uns für ein Rätsel aufgegeben mit deinen Tafeln? Wolltest du dir nur einen Spaß machen?« Remigius wiegte den Kopf hin und her. »Nein!«
    Marie, die Els beim Aufräumen und Sortieren half, hob den Kopf. »Bitte?«
    »Kommt her!«, befahl Remigius, der schon wieder durch den Raum schlurfte, zwar Halt suchend an Tischkanten oder Stuhllehnen, doch er bewegte sich ohne fremde Hilfe vorwärts.
    »Herrin, ich nehme diese Schüsseln und Teller mit hinunter zum Säubern und sehe nach der Brühe für den Herrn«, sagte Els, packte wie selbstverständlich einen schwer beladenen Korb und ging damit hinaus.
    »Ist recht, Els.« Marie nieste, klopfte sich Staub von den Ärmeln und trat zu ihrem Oheim, der ein Leinentuch vom Tisch riss, auf dem noch immer die Tafel lag.
    Die bizarre Schönheit des außergewöhnlichen Kunstwerks bannte Marie jedes Mal aufs Neue. Ein Marienkäfer krabbelte über das Blattwerk aus geschliffenen Edelsteinen, überquerte eine rote Blüte und ließ sich auf dem Ei nieder, das von dem janusköpfigen Mann gehalten wurde.
    »Das Geheimnis liegt in den Scagliola-Bildern! Warum sonst wollte dieser Adam jeweils kurz vor Vollendung des Stuckmarmorteils allein sein mit der Tafel?«, grübelte Remigius.
    »Wie kann man nur so detailreiche Motive aus Stuckmarmor schaffen! Es ist hochmütig von da Pescia gewesen, die Kunst der Stuckateure nicht anzuerkennen.«
    »Damals stand diese Handwerkskunst nicht so hoch im Kurs. Oh, ich würde etwas dafür geben, wenn ich noch jung genug wäre, selbst mit in die Villa Riem zu reiten!« Ihr Oheim stützte sich auf die Tischkante und ging jedes Bilddetail durch.
    Ihr Blick glitt zum Fenster hinaus. Ruben war noch vor dem ersten Hahnenschrei fortgeritten. Sie hatte am Fenster gestanden und ihm hinterhergeblickt, während unerlaubte Gefühle ihr die Luft zum Atmen nahmen und die Sehnsucht so sehr schmerzte, dass sie sich ihrer selbst schämte. »Wenn die Tafel überhaupt dort ist.«
    »Wenn nicht dort, dann in einer Residenz der Jesuiten. Sie ist hier irgendwo in der Nähe. Das spüre ich in jeder Faser meines vermodernden Körpers.« Er lachte grimmig. »Ist das nicht ein Hohn? Jahre meines Lebens habe ich vergebens nach dem Lapis gestrebt, all die alchemischen Experimente, die Reisen nach Böhmen und Italien, und jetzt ist die Lösung des Rätsels zum ersten Mal greifbar nahe, aber die Zeit läuft mir davon! Früher hatte ich Zeit im Überfluss und sehnte mich nach dem Lapis, nach dem Geheimnis des trinkbaren Goldes, und jetzt? Was gäbe ich nicht für ein weiteres Jahr …« Er ballte eine Faust und schwang sie gegen den blauen Maihimmel. »Und wisst Ihr, was das Paradoxe ist?« Seufzend sank der alte Mann in seinen Stuhl.
    Marie hob die Schultern.
    »Was auch immer dieser verrückte Magnus Adam hier drinnen versteckt hat, ist eine Art von Wissen, für das er damals von der Kirche verbrannt und von seinem Fürsten eingesperrt oder gefoltert worden wäre und das so wertvoll ist, dass es die Gier der Menschen weckt.« Remigius von Kraiberg klopfte gegen den Holzrahmen, auf dem die Tafel befestigt war. »Massiv. Versteckt ist darin nichts. Keine Alchemistentricks.«
    »Die Alchemie sollten wir überhaupt nicht erwähnen, wenn wir über die Tafel sprechen. Denkt nur an Georg Honauer. Es ist nicht lange her, dass man den armen Mann für das, was der Fürst von ihm wollte, nämlich Gold, aufs Schafott gebracht hat!«
    Honauer hatte für den Herzog von Württemberg als Alchemist gearbeitet und kläglich dabei versagt, sechsunddreißig Zentner Eisen in Gold zu verwandeln. Als Betrüger verurteilt, wurde der unglückselige Mann in ein mit Goldflitter besetztes Gewand gekleidet und auf einem eisernen Schafott in Stuttgart hingerichtet.
    »Die Leute glauben, was sie glauben wollen.« Marie dachte an

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