Blut und Kupfer
Vronis Schilderungen des tief verwurzelten Aberglaubens und fürchtete für ihren Oheim, der sich mit neu erwachter glühender Begeisterung dem Ergründen tiefster alchemistischer Geheimnisse widmete und damit in Konflikt mit den strengen Mandaten des Herzogs geraten konnte.
»Ja, ja, aber Herzog Maximilian ist ein kluger Mensch, verständiger als sein Vater, dieser verschwenderische Narr. Wir können uns glücklich schätzen, einen Herzog zu haben, der selbst Zeuge von Hexenverbrennungen in Ingolstadt geworden ist und den Unsinn dieser widerwärtigen Hetzjagd erkannt hat.«
»Aber der Herzog will diese Tafel besitzen, vergesst das nicht! Vielleicht hat er auch von der Legende gehört und ist von dem Funken Wahrheit, der angeblich jedem Gerücht zu Grunde liegt, angesteckt worden.« Daran hatte sie noch nicht gedacht. »Stellt Euch das vor, Oheim! Große Güte, wenn nun der Herzog selbst hinter den Morden steckt. Zeiner ist sein ausführender Arm!«
»Es wäre ein Leichtes für den Herzog gewesen, mir die Tafel abzupressen. Aber das hat er nicht getan!« Remigius nahm ein Vergrößerungsglas und betrachtete das Scagliola-Bild.
»Und wenn er abwarten will, was Ihr herausfindet?« Doch so recht glaubte Marie selbst nicht an ihre Theorie. »Oh, ich hab’s! Der Pater steckt dahinter! Der hat Berthe geholt und …«
»Hat er das? Ich bin mir nicht sicher. Sie schienen sich nicht zu kennen.« Remigius hielt weiter das Glas über die Tafel und klopfte und kratzte an der polierten Oberfläche. »Die Ordensschwester ist womöglich nur eine fanatische Dienerin der Kirche, angestachelt von engstirnigen jesuitischen Eiferern wie den Patres Contzen und Gretser und natürlich der vielgelesene Drexel! Phh! Und was soll ich sagen?« Er hob den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Solche Leute wie Rudolf Goclenius, seines Zeichens Arzt, gießen ja noch Öl ins Feuer der Hexenjäger! Wie nennt er seine magische Erfindung? Ein sympathetisches Pulver!«
»Ach, die Waffensalbe!« Erst kürzlich hatte es heftige öffentliche Diskussionen und Schmähschriften gegen den Arzt gegeben, der behauptete, dass man sein Pulver auf eine Waffe auftragen müsse, mit der eine Wunde verursacht worden war, und die Wunde würde sich daraufhin schließen.
»Solche Gelehrten sind Gift für die Wissenschaft und verunglimpfen einen ehrenwerten Berufsstand! Himmel, was rede ich! Scharlatane gibt es in jedem Gewerbe. Ob Magnus Adam Dokumente zwischen den Platten verborgen hat?« Sie schaute zum Fenster, wo ein Schwarm Krähen über dem Birkenhain aufflog.
»Unwahrscheinlich. Natürlich habe ich darüber auch nachgedacht. Die Platten werden geleimt, Stuck wird nass aufgetragen, Papier würde dabei zerstört. Und wozu sich solche Mühe machen, wenn es um Dokumente geht? Adam hatte etwas anderes im Sinn. Diese Bilder sind aus einem bestimmten Grund in Scagliola erstellt worden. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Adam selbst Hand angelegt hat! Unser böhmischer Freund wird versuchen, mehr über Adam herauszufinden.«
Sehnsüchtig schweifte Maries Blick über die saftigen Wiesen der fruchtbaren Ebene, durch die sich die Straße schlängelte, auf der Ruben seit Stunden unterwegs war. Im Hof hackte jemand Holz, der Schmied beschlug die Arbeitspferde, und ein Karren wurde entladen. Der Verwalter, ein altgedienter Mann, verhandelte mit dem Lieferanten. »Albrecht kann seine Leute nicht mehr bezahlen, Oheim. Wird er das Gut verlieren? Was wird dann aus Euch und Eurem Turm?«, fragte Marie verzagt.
»Hat er das zu Euch gesagt? Schickt ihn nachher zu mir. Ich werde mit ihm sprechen. Dummer, verbohrter Narr …«
Unten klapperte die Tür. »Ich bringe die Brühe!«, rief Els.
Marie lief der Dienerin entgegen, um die Tür wieder zu verriegeln. Die kräftige Brühe machte auch Marie den Mund wässrig.
»Ein Wagen kommt zum Gut. Veit meint, das wäre jemand vom Münchener Hof«, sagte Els und balancierte ihr Tablett geschickt die Wendeltreppe hinauf.
Oben angekommen, ging Marie zum Fenster und fand schneller Bestätigung für Els’ Worte, als ihr lieb sein konnte. Ein schwarzer Wagen mit dem herzoglichen Wappen und zwei bewaffnete Berittene ritten in den Hof, als gehörte ihnen das Gut. Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Bleib beim Oheim. Ich sehe nach, was die hier wollen.«
Remigius schaute fragend von ihr zu Els, leckte sich aber hungrig die Lippen, als die Dienerin den Deckel des Suppentopfs hob. »Wenn es Schuldeneintreiber sind, soll Albrecht sofort
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