Blut und Kupfer
zu mir kommen. Den Turm verlasse ich nur mit den Füßen voraus.«
Remigius’ Galgenhumor gab zumindest Anlass zur Hoffnung. Rasch lief Marie durch die vertrauten Gänge, vorbei an Dienstboten, die sie neugierig anstarrten, und blieb auf der Treppe stehen, als sie ihren Namen hörte.
»Wenn besagte Freifrau von Langenau Eure Schwester ist, werdet Ihr wissen, wo sie sich aufhält, und sie unverzüglich herbeordern. Der Befehl ist eindeutig und erlaubt keine Verzögerung. Frau von Langenau hat in spätestens zwei Tagen vor dem Anhörungsausschuss daselbst zu erscheinen«, sagte ein dicklicher kleiner Mann, dessen klebrige graue Haarsträhnen auf einem speckigen, ehemals weißen Kragen lagen.
»Zeigt mir die Order! Ohne schriftlichen Befehl habt ihr keine Befugnisse!«, behauptete Albrecht seine Position als Hausherr.
Das Knarren der Treppenstufe verriet Marie, die im Begriff gewesen war, sich leise davonzustehlen.
»Marie! Kommt bitte herunter! Vielleicht könnt Ihr diesem Spuk ein Ende machen«, rief Albrecht, der mit einem offiziell wirkenden Dokument winkte. »Und wem seid ihr unterstellt?«, wandte sich Albrecht erneut an die Bewaffneten.
Ein breitschultriger Kerl mit kurzgeschorenem Haar, Vollbart und einer mehrfach gebrochenen Nase legte eine Hand auf seinen Degenknauf und grinste. An einem Ohr blitzte ein goldener Ring. »In diesem Fall führen wir die Befehle von Geheimrat Zeiner aus. Unser Herr, genau wie Eurer, Hochwohlgeboren, ist Herzog Maximilian.«
Marie sah, dass ihrem Bruder die Zornesröte ins Gesicht stieg, und beeilte sich, um zu verhindern, dass Albrecht die Beherrschung verlor, was ihm bei diesen Kerlen teuer zu stehen kommen würde. »Lasst sehen!« Rasch überflog sie die Order, die von Zeiner persönlich unterzeichnet und gesiegelt war. »Ihr seid der Secretarius Stoll?«
Der dickliche Beamte nickte und zog an seinem Kragen, der seinen fleischigen Hals anschwellen ließ wie einen Puter. »Es ist wirklich schon recht warm. Dürften wir um einen Trunk bitten, bevor wir abreisen?«
Marie gab dem Beamten, der sich in seiner Mission offensichtlich nicht wohl fühlte, das Schreiben zurück. »In welcher Angelegenheit soll ich befragt werden?«
Stoll riss die Augenbrauen in die Höhe und schob die Unterlippe vor. »Das weiß ich nicht, Hochwohlgeboren. Geheimrat Zeiner sprach von einer internen Angelegenheit. Ich bin nur angehalten, Euch sicher nach München zu geleiten.«
»Ist es genehm, wenn ich mich umkleide und das Nötige packen lasse?«, fragte Marie nüchtern, denn eine Wahl hatte sie nicht.
»Selbstverständlich.« Stoll verneigte sich, so weit es seine Behäbigkeit zuließ.
»Josef!«, brüllte Albrecht.
»Ja, Herr?« Der flinke, unscheinbare Mann wusste wie kein anderer des Gesindes mit der Launenhaftigkeit des Hausherrn umzugehen.
»Nimm diese Männer mit in die Gesindeküche und lass sie verköstigen.« Als sie allein waren, nahm er Maries Arm. »Und jetzt sagt mir, was das zu bedeuten hat!«
»Bitte, Albrecht, kommt mit hinauf zum Oheim. Er möchte mit Euch sprechen. Ich bitte Euch! Er wird Euch mit dem Gut helfen!«
Ungläubig ließ er seine Schwester los. »Warum?«
»Ich habe ihm von Eurer Notlage erzählt.«
Marie hatte gehofft, mehr Zeit mit ihrem kranken Oheim verbringen zu können, doch einer Order aus der Residenz konnte sie sich nicht widersetzen. Bedrückt hockte sie sich auf einen Stuhl neben Remigius, der das Scagliola-Bild mit Lupe und Pinzette untersuchte.
Albrecht blieb staunend vor dem geheimnisvollen Kunstwerk stehen. »Bei den Gebeinen des heiligen Antonius! Da soll mich doch der Schlag treffen! Das Ding da ist sicher seine fünfhundert Gulden wert!«
»Eintausend verlange ich dafür, und glaubt mir, der Herzog wird sie mir mit Freuden geben. Lange nicht gesehen, Albrecht.« Der Gelehrte hob den Kopf und musterte seinen Neffen kritisch. »So wie Euer Leib sich da wölbt, trinkt Ihr zu viel.«
Albrecht legte beschämt eine Hand dort auf sein Wams, wo sich die Leber befand. »Marie sagte, dass Ihr mich sprechen wollt. Wenn es nur Eurem Vergnügen dient, mich beschimpfen zu können …«
»Trotziger kleiner Albrecht. Mir rinnt die Lebenszeit durch die Finger, für Kindereien habe ich nichts übrig. Sagt mir einfach, wie schlimm es um das Gut steht.« Die Familienähnlichkeit zwischen den beiden Männern war unverkennbar, doch während Remigius’ Züge noch im Alter anziehend waren, hatten Trunk- und Spielsucht Albrechts Antlitz geprägt und seine
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