Blut und Kupfer
wäre genau das Richtige.«
Kommentarlos begleitete er sie zu Remigius, dessen weißer Schopf hinter einem Bücherstapel hervorschaute. Seine Feder kratzte über grobes Papier. »Marie? Wo wart Ihr so lange?«
»Ach, Veit hat einen wunderbaren Platz für Aras gefunden.« Neben einem Destillierkolben stand ein Wasserkrug, aus dem Marie sich einen Becher einschenkte und gierig austrank.
Ihr Oheim legte die Feder nieder. »Der Tod Eures Hundes war vermeidbar.«
Marie tauchte einen Lappen ins Wasser und wischte sich über Stirn und Hals. »Aber die Nachricht war nicht zweideutig. Es hätte doch sein können, dass Vroni mich sprechen will.«
Remigius trommelte mit gerunzelter Stirn auf einen Buchdeckel. »Da war es schon zu spät. Nein, ich meine, wir hätten früher nachdenken müssen. Ich war geblendet von der Tafel, ihrer Geschichte, ihrem Geheimnis. Wie ist Gisla daran gekommen? Ist es ein Zufall, dass sie mir die Tafel jetzt schenkte? Gronhelg, Sallovinus und Melchior mussten sterben, weil sie im Besitz einer Tafel oder eines entscheidenden Hinweises auf das Scagliola-Quartett, wie ich sie der Einfachheit halber nenne, waren. Tulechow wurde seiner Tafel beraubt, aber nicht getötet, warum nicht?«
»Tulechow ist der Einzige, der von den Tafeln schon vor Sallovinus’ Tod durch seinen Verwandten, Codicillus von Tulechow, erfahren haben kann«, gab Ruben zu bedenken. »Und Tulechow ist reich. Für ihn ist es eine Kleinigkeit, sich einen Mörder zu dingen. Vielleicht musste er nicht einmal suchen, sondern hat seinen Schergen bereits im Haus.«
»Jais«, sagte Marie heiser. Aus eigener Erfahrung wusste sie, wie skrupellos Tulechow sein konnte. Im Grunde spielte es keine Rolle, ob Tulechow Georg und Bruder Anselm eine Falle gestellt hatte, um die beiden bloßzustellen und sie damit zu nötigen, denn über seine Absichten machte sie sich keine Illusionen. Ehelichen wollte er sie? Möglicherweise. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass ein Mann wie Tulechow keine bessere Partie anstrebte. Und war Tulechow der Mann für eine derartig überlegt und langfristig geplante mörderische Operation, wie sie Remigius vermutete?
»Was habt Ihr gesagt?« Ruben schob ihr einen Teller mit Schmalzbroten zu.
»Jais.« Hungrig griff sie nach einer der dicken Brotkrusten.
»Danach. Ihr habt gesagt, Tulechow nicht oder etwas Ähnliches …«
»Ich habe nur überlegt, dass ich Tulechow nicht für einen Mörder halte.« Sie biss in das fetttriefende Brotstück.
»Warum nicht?« Ruben gab auch Remigius von den nahrhaften Brotstücken, die von der umsichtigen Els heraufgebracht worden waren.
Sich die fettigen Finger leckend, murmelte Marie: »Er ist impulsiv, egozentrisch und liebt schöne Dinge, für die er viel bezahlt, und man redet bei Hof, dass er Karriere machen will, indem er sich wichtige Freunde macht.«
»Scheint mir genau der Mann, der für den Lapis philosophorum über Leichen geht.« Ruben goss Rotwein in drei Becher und reichte Remigius einen, der seine Nichte erwartungsvoll anschaute.
»Aber …« Marie dachte an ihre erste Begegnung mit Tulechow in der Steinschneidewerkstatt der Residenz. Damals hatte sich Tulechow ehrlich betroffen gezeigt über den Tod ihres Gatten durch die Hand seines Freundes von Hameling. Sein Mitgefühl war nicht gespielt gewesen. Sie seufzte. »Meine Zweifel beruhen auf einem Gefühl.«
Remigius schnaufte. »Weiber!«
Ruben musterte sie skeptisch und nippte an seinem Wein.
»Habt Ihr in Euren Büchern eine Verbindung zwischen den Bildern finden können, Oheim?«, überspielte Marie das unangenehme Schweigen des Böhmen.
»Vielerlei! Das ist es ja! Wer sich ein wenig mit Alchemie befasst, dem sind diese Symbole und bildhaften Darstellungen vertraut. Nur dem Laien scheinen sie rätselhaft und teuflisch. Ihr müsst die vierte Tafel sehen, Ruben. Das allein könnte uns weiterbringen.« Ratlos betrachtete Remigius seine Aufzeichnungen.
»Wo ist das Buch von Melchior Janus? Hat die Nonne es tatsächlich gestohlen?«, wollte Marie wissen.
Ihr Oheim winkte ab. »Unwichtig. Ein sicherlich aufschlussreiches Büchlein, was den Kunsthandel zur Zeit von Il Magnifico angeht, aber Zaubersprüche und dergleichen stehen nicht darin. Und darauf war dieses verhärmte Weibsstück ja wohl aus.«
Marie konnte sich noch immer keinen Reim auf das merkwürdige Tun der Nonne machen. »Glaubt Ihr denn immer noch, dass sie Euch vergiften wollte? Es erscheint mir so sinnlos. Vielleicht ist Bella ja auch zufällig
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