Blut und Kupfer
Fliederzweig ab.
Eine Stalltür wurde lautstark zugeschlagen, und Albrecht brüllte: »Marie, zum Teufel!«
»Ich komme schon!« Nachdenklich und mit einem wehmütigen Blick verließ Marie Aras’ letzte Ruhestatt.
»Was ist nur mit Euch los? Treibt Euch nicht allein hier draußen herum!«, schnauzte ihr Bruder sie an, als sie ihm an der Ecke des Pferdestalls in die Arme lief.
Marie hob den Zweig mit den zart duftenden Blüten an die Nase. »Übertreibt nicht. Ich bin ja auf dem Hof!«
»Ihr wart auf meinem Land, als man Euch angegriffen hat, schon vergessen?« Er sprach mit schwerer Zunge, und seine Bewegungen wirkten ungelenk.
»Ach, Albrecht. Warum tut Ihr Euch das an?« Sie streckte ihre Hand nach ihm aus, doch er wandte sich brüsk ab.
»Spart Euch den mitleidsvollen Ton für Remigius auf. Der ist ja, wie es scheint, von den Todgeweihten auferstanden. Aber vielleicht spielt er uns allen nur Theater vor, um sich wichtig zu machen, der alte Bock.«
Kopfschüttelnd machte Marie sich auf den Weg zum Gutshaus. »Deswegen habt Ihr nach mir gesucht? Um einen kranken alten Mann zu beleidigen, der mehr Verstand im kleinen Finger hat als Ihr in Eurem vernebelten Schädel?«
»Nein!« So rasch, wie sie es ihm niemals zugetraut hätte, war er bei ihr und packte ihre Schulter, gab sie jedoch im nächsten Moment wieder frei. »Marie, mir steht das Wasser buchstäblich bis zum Halse.«
Lautes Geschnatter machte Albrecht bewusst, dass sie nicht allein waren. Er fuhr sich durch die Haare und stemmte die Hände in die Hüften, während ein barfüßiger Junge vorbeisprang.
»Husch, ihr Gänslein!«, rief der Junge und trieb seine geschwätzige geflügelte Schar mit einem Stöckchen vor sich her. »Grüß Euch Gott!«
Marie lächelte, doch Albrecht ignorierte den kleinen Burschen. »Vorhaltungen brauche ich nicht, die höre ich schon von Eugenia, und die weiß noch nicht einmal die Hälfte«, sagte Albrecht leiser zu seiner Schwester.
»Hat sie deshalb diese Wallfahrt unternommen? Um für Euch zu beten?«, spöttelte Marie.
»Es macht auf jeden Fall einen guten Eindruck. Ihr habt ja alles getan, den Ruf unserer Familie bei Hof zu diskreditieren.«
»Das ist nicht meine Schuld!«
»Spielt auch keine Rolle«, winkte er müde ab und schritt mit dem schweren Schritt eines Verurteilten, der weiß, dass die Galeere auf ihn wartet, neben ihr her. »Ich bin nicht mehr flüssig. Habt Ihr noch eine Geldreserve?«
»Seid Ihr bei Sinnen? Ein Teil meines Schmucks ist mit der Reisetruhe verloren gegangen. Hättet Ihr Eure Männer nach dem verlumpten Körber ausgeschickt …«
Zähneknirschend erwiderte Albrecht: »Die meisten Knechte haben seit Wochen keinen Heller mehr von mir bekommen.«
»Bei meinen Sachen im Kloster sind noch einige Kleider und Schmuckstücke, die etwas einbringen würden, aber das könnt Ihr nicht von mir verlangen!«
Er raufte sich die Haare. »Nein. Dann muss der Oheim mir helfen! Er muss einfach!«
»Habt Ihr ihm nicht schon genug gestohlen?«
Ein bedrohlicher Seitenblick traf sie. »Wir sind vom gleichen Blut. Es ist seine Pflicht. Was treibt er überhaupt da oben mit diesem böhmischen Windhund?« Sie hatten den Treppenaufgang des Haupteingangs erreicht, da baute sich Albrecht plötzlich vor ihr auf. »Und was treibt Ihr im Turm? Ursel hat gesagt …«
»Ursel ist eine niederträchtige Lügnerin!«, fauchte Marie. »So weit ist es gekommen, dass Ihr auf das Gesinde hört? Dann fragt doch Ursel, vielleicht hilft die Euch mit ihrem Gesparten aus! Oder nein, bittet doch Einhard um einen Zauberspruch!«
Da sie den Schlag erwartet hatte, wich sie rechtzeitig aus und rannte an ihm vorbei ins Haus. Angetrunken, wie er war, endete sein Versuch einer Verfolgung in einem kläglichen Sturz, dem heftiges Wutgebrüll folgte. Sie hetzte durch das Haus, als wäre ihr der Leibhaftige auf den Fersen. Einmal hielt sie an, um wieder zu Atem zu kommen, und lauschte in das seit Eugenias Abreise stille Haus hinein. Albrecht schien seinen Jähzorn im nächsten Weinglas ertränken zu wollen. Trotzdem verriegelte sie die Turmtür sorgfältig nach ihrem Eintreten.
»Marie, seid Ihr das?«, rief Ruben und kam die Treppen heruntergeeilt. »Was ist mit Euch?«
»Nichts weiter. Ich bin zu schnell gelaufen. Geht es meinem Oheim gut? Habt Ihr Fortschritte gemacht mit dem Rätsel?« Sie zupfte ihr Schoßjäckchen in Form, rückte die Spitzen am Ärmel des Unterkleids gerade und setzte ein Lächeln auf. »Ein Schluck Wasser
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