Blut und Kupfer
Die Flammen erfassten die Laken, mein Körper war ein einziger Schmerz, dann brach der Baldachin herunter. Ich bekam die Hände frei und schützte meinen Kopf. Das Nächste, was ich sah, waren Melchior und Remigius, wie sie mich aus Flammen und Rauch holten. Ohne die selbstlose Hilfe der beiden wäre ich verbrannt. Melchior hat meine äußeren Wunden behandelt. Die inneren Narben konnte auch Remigius’ aufopfernder Beistand nicht heilen.«
Gisla stützte sich am Brunnenrand ab.
»Was wurde aus Charvat?«, fragte Marie leise.
»Er verschwand aus Prag, soll aber später Karriere bei einem pfälzischen Grafen gemacht haben. So einer fällt immer auf die Füße.«
Schweigend standen die beiden Frauen nebeneinander und hingen ihren Gedanken nach.
Eine Frage stand noch zwischen ihnen. »Die Tafel? Wie kam sie in Euren Besitz?«
Eine der Nonnen aus der Krankenstation kam durch den Kreuzgang auf sie zu. »Ach, hier bist du, Gisla. Deine Salbe!«
Gisla winkte der Nonne und sagte zu Marie: »Glückliche Umstände haben sie mir über einen alten Bekannten in die Hände gespielt. Nach meiner Genesung bin ich nach München gegangen und habe hier ein exklusives Geschäft betrieben.«
Die Nonne kam über den Rasen geeilt und hielt Gisla einen verschlossenen Tiegel hin. »Die haben wir heute Morgen angerührt. Sie ist noch besser als die aus Ringelblumen.«
»Danke, meine Liebe. Ihr seid Engel.« Die Nonne errötete, und Gisla steckte den Tiegel in eine Tasche ihres Gewands. »Sie geben sich große Mühe, mir Salben zu mischen, welche die Narbenhaut geschmeidig halten.« Als die Nonne außer Hörweite war, sagte Gisla: »Ich habe mich auf das besonnen, was ich konnte, und einige Mädchen in verschiedenen Künsten ausgebildet, die ihnen reiche und einflussreiche Gönner bescherten.«
Sie hätte Mitleid mit Gisla empfinden sollen, doch dass die ehemalige Kurtisane anderen Frauen ein ähnliches Schicksal bereitet hatte, missfiel Marie.
»Ihr könnt darüber denken, was Ihr wollt. Die Mädchen waren mir dankbar für ihre Ausbildung. Eine von ihnen hat einen Mailänder Juwelier geheiratet und mir von einem ausgefallenen Tisch erzählt, den ihr Mann angekauft hatte. Der Tisch und einige Goldschmiedearbeiten stammten angeblich aus einer römischen Villa einer Familie, für die da Pescia verschiedene Aufträge ausgeführt hat. Als dann von einem absonderlichen Motiv in der Tischplatte die Rede war, fragte ich nach. Nie habe ich die nächtelangen Gespräche in meiner Prager Wohnung vergessen, in denen Remigius und seine Freunde sich den Kopf heißredeten über die Tafeln da Pescias. Aber – meine Liebe, ich glaube, Ihr werdet gesucht.« Gisla nickte Richtung Kreuzgang, aus dem eine Novizin in den Garten getreten war und nun auf sie zueilte.
Georg stand auf der Terrasse, die zu den Blumenbeeten des Residenzgartens hinunterführte. Hinter ihm flanierten Damen und Herren der Hofgesellschaft durch die Arkaden auf den Pegasustempel zu, aus dem Flöten- und Lautenklänge verhalten über den erblühenden Garten zogen. Weder botanische Schönheiten noch musikalische Wohlklänge errangen Maries Aufmerksamkeit, als sie das verstörte Antlitz ihres Bruders sah.
»Georg!« Mit raschelnden Röcken lief sie zu ihm und nahm ihn ohne Rücksicht auf die Etikette in die Arme.
Er strich ihr über die noch feuchten Haare und schob sie von sich. »Was höre ich für Sachen? Man hat Euch in den Falkenturm gesperrt? Himmel, warum nur?«
»Geheimrat Zeiner nimmt seine Aufgaben etwas zu ernst. Aber mir geht es gut. Georg, sagt mir lieber, was Pater Anselm zugestoßen ist. Hat er sich …?«
Seine Lippen bebten, die hellen Augen waren voller Trauer und Zorn, und er wirkte ausgezehrt. »Das kann niemand beweisen! Die Lästermäuler haben natürlich nichts anderes zu reden, als dass sich der arme Anselm in die Isar gestürzt hat, weil wir in einer kompromittierenden Situation gesehen wurden.« Er umklammerte seinen Degenknauf und sah sie mit brennenden Augen an. »Es gibt nur einen Menschen, der uns verraten haben kann. Nur einen, denn die Komödianten sind nicht mehr in der Stadt!«
»Nicht, Georg. Wenn Ihr Tulechow meint, das glaube ich nicht. Er hat keinen Grund, Euch bloßzustellen. Er …« Weiter kam sie nicht, denn Georg stieß sie zur Seite und rannte auf eine Gruppe von Höflingen zu, die aus dem Schatten der Arkaden trat.
»Lügner! Ich nenne Euch einen verleumderischen Lügner!«, rief Georg und ohrfeigte den überraschten Severin von
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