Blut und Kupfer
Atem, folgte einem Haselnussspalier, vorbei an knospenden Rosensträuchern und Berberis und erblickte zuerst die blonden Locken der Gräfin von Larding, die mit dem Rücken zu ihr am Pegasustempel stand. Neben ihr drängten sich die üppigen Rundungen der Baronin von Taunstein unter einem zitronengelben Sonnenschirm, die kleinere Gestalt in Schwarz ordnete Marie dem Hofkammerrat Widmann zu, auch der dünkelhafte Gastwirt Holzmair sonnte sich im Licht seiner vorteilhaft verheirateten Tochter, die an Hofkammeradvokat Mändls Seite stand. Marie konnte nicht sehen, ob sich eine der Herzoglichen Durchlauchten im Tempel befand, um der Musik zuzuhören, und hielt einen vorbeihastenden Lakaien an. »Was ist da los?«
»Das wisst Ihr nicht? Der Schwager des Herzogs ist hier! Wenn die Musik vorbei ist, findet die Quintana im Schlosshof statt.« Der Diener nickte und rückte das Tuch über dem Eimer gerade, den er mit gestreckten Armen trug. Der Gestank von Erbrochenem stieg auf, und Marie machte dem Diener Platz, damit er den Unrat entsorgen konnte.
Die Quintana, das Stechen auf einen hölzernen Mann, war ein beliebtes Vergnügen für fast alle männlichen Mitglieder der Hofgesellschaft. Bei derartigen Spielen konnte man seine Manneskraft ohne allzu großes Risiko ernsthafter Verletzungen unter Beweis stellen. Da sie Tulechow für einen draufgängerischen Mann hielt, der sich gern vor den Damen produzierte, traute sie ihm zu, dass er am Stechen teilnahm. Vielleicht war er deshalb nicht in der Nähe der Gräfin zu sehen. Weit konnte Tulechow nicht sein, denn nach der Herausforderung durch ihren aufbrausenden Bruder war er zum Tempel gegangen. Während sie nach ihm Ausschau hielt, fragte sie sich, wo Ruben jetzt sein mochte. Er hätte ihr helfen können! Wunschdenken, schalt sie sich und umrundete den Pegasustempel, in dem sich die vornehme Gesellschaft drängte.
Damen mit fingerdicken Puderschichten auf zerstörter Haut fächerten sich Luft zu, denn die Wolke aus Schweiß, Urin und anderen Körperausdünstungen, gemischt mit süßen Parfums, legte sich schwer über die Gesellschaft. Nein, sie war die Einzige, die Georg jetzt helfen konnte. Sie konnte ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen! War es nicht auch ihre Schuld, dass er und Anselm zu Tulechows Fest geladen worden waren? Endlich erspähte sie eine große, kräftige Gestalt, die sich gewandt zwischen den zumeist untersetzten oder schmächtigen Höflingen den Weg durch die Arkaden zum Schloss bahnte.
Als sie ihn leicht außer Atem erreichte, ignorierte sie die empörten Blicke einiger Damen, die sich in sittsamer Langsamkeit fortbewegten. »Herr von Tulechow! Auf ein Wort, ich bitte Euch!«, sagte sie flehend.
Der Angesprochene drehte sich sofort um und nahm ihren Arm, um sie in eine Fensternische zu führen. »Ich habe mich gefragt, wie lange es dauern würde, bis Ihr mich aufsucht.« Er schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln. »Ihr wart dabei! Euer Bruder hat mich vor aller Augen gedemütigt. Ich muss meine Ehre verteidigen.«
»Ihr hattet mir versprochen, Stillschweigen über den angeblichen Vorfall zu bewahren«, sagte sie vorwurfsvoll.
Tulechow musterte sie eindringlich und sog scharf die Luft ein. Sein Bart war exakt gestutzt und so gepflegt wie seine gesamte Erscheinung. »Frau von Langenau, ich habe Euch mein Wort gegeben, und ich bin ein Mann von Ehre.«
Verunsichert suchte sie nach dem Hinweis auf eine Lüge in den dunklen Augen, die sie unverwandt und herausfordernd musterten. »Aber wer sonst?«, entfuhr es Marie.
Severin von Tulechow hob nonchalant eine Braue. »Ich weiß es nicht. Die Komödiantin?«
»Ich verstehe das nicht.« Sie drehte den neugierig Vorbeilaufenden den Rücken zu. »Aber wenn Ihr es nicht wart, dann gibt es keinen Grund für ein Duell!«
»Euer Bruder sieht das sicher anders. Zudem hat er mich geschlagen. Allein dafür verlange ich Genugtuung.«
»Tötet ihn nicht!«, flehte Marie und griff nach seiner Hand.
»Eure Sorge um Euren Bruder in Ehren, Verehrteste, aber ein Duell ist keine Partie Federball.«
»Das müsst Ihr mir nicht sagen.« Voll Bitterkeit ließ sie seine Hand fahren und machte einen Schritt zurück.
Alle Härte verflog aus Tulechows Miene. »Verzeiht. Dies ist vielleicht nicht der passende Augenblick, andererseits liegt in diesem Moment einiges in der Waagschale.«
Sie erbleichte und ahnte, was nun kommen würde.
»Ich hege Gefühle für Euch, wie Euch nicht entgangen sein dürfte, denn Ihr seid eine
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