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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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verursachten. Als sie das Gefühl hatte, wieder atmen zu können, erhob sie sich und schob die nassen Haare aus der Stirn.
    Ihr Bruder stand mit in die Hüfte gestemmten Armen neben ihr und musterte sie mit einer Mischung aus Ungeduld, Wut und Mitleid. »Kommt mit!« Er packte ihren Arm und zog sie mit sich die Treppen hinauf, schob sie durch die Halle direkt in die Bibliothek.
    »Ihr seid also nicht verletzt?«, war seine erste Frage.
    Sie tastete sich den Hals ab und zuckte zusammen. »Nicht schwer. Albrecht, es war so fürchterlich da draußen!«
    Hemd und Jacke waren vollkommen durchnässt, und ihre Zähne fingen an zu klappern. Sie ging um den langen Tisch herum zum Kamin, in dem die Reste eines Feuers glimmten. Albrecht knotete seinen Umhang auf, warf ihn achtlos über einen Stuhl und trat neben seine Schwester. »Was ist passiert?«
    Sie erzählte es ihm, während sie die zitternden Hände über die Glut hielt. Als sie die Wortfetzen wiederholte, die wie Zaubersprüche oder Flüche geklungen hatten, warf ihr Bruder ihr einen düsteren Blick zu.
    »Ich verstehe«, sagte er und schlug mit der Hand gegen das Kaminsims.
    »Ihr versteht? Ja, aber was …?«
    »Ach, Marie, stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid. Ich weiß, dass Ihr Einhard vor den Leuten gemaßregelt habt!«
    »Oh, das, ja, ich wollte nur helfen!«
    »Seht Euch an! Das habt Ihr von Eurer Hilfe! Oder was denkt Ihr, wer sonst hätte Euch auf meinem Grund mit Steinen und stinkendem Unrat beworfen?«
    »Aber dann können wir Einhard doch bestrafen!«
    »Wofür denn? Ihr habt ihn nicht gesehen. Ich habe ihn nicht gesehen. Er wird sich eine feine Geschichte ausgedacht haben, wenn wir ihn morgen befragen, was er getrieben hat. Und das werde ich verdammt noch mal auch nicht tun! Ich mache mich Euretwegen nicht lächerlich!«, sagte Albrecht mit scharfer Stimme.
    »Aber Einhard lügt! Paul ist kein Dieb!«, wehrte Marie sich.
    »Woher wollt Ihr das wissen? Ihr wart jahrelang nicht hier und glaubt einfach so, was ein Pächter Euch ins Ohr bläst? Mischt Euch nicht ein, Ihr bringt alles nur durcheinander! Ich bin der Herr auf dem Gut! Begreift das endlich!«, herrschte Albrecht sie an und sah sie schwer atmend an. Schließlich seufzte er und griff nach ihrer Hand. »Marie, versteht doch. Es gibt Regeln, und wenn man sie bricht, gerät alles aus den Fugen.«
    Marie schwieg. Was sollte sie sagen? Sie hatte die Autorität ihres Bruders untergraben, und vielleicht hatte er sogar recht, was das Funktionieren eines Gutes betraf. Die Leute brauchten einen Herrn, den sie respektierten.
    »Nun, da Ihr nicht verletzt und damit reisefähig seid, werdet Ihr morgen früh abreisen. Carl hat den Wagen hergerichtet, so dass einer Reise nach München nichts im Wege steht.«
    »Nein, Albrecht! Bitte schickt mich jetzt nicht fort! Der Oheim ist krank und bedarf meiner Hilfe.«
    »Er ist all die Jahre ohne Euch ausgekommen. Ihr fahrt morgen. Punkt!«
    »Habt Ihr denn gar kein Mitgefühl mit einem sterbenskranken alten Mann? Er ist immerhin der Bruder unseres Vaters.« Marie sah, wie die Miene ihres Bruders versteinerte.
    »Tut mir leid, Marie. Ich habe kein Mitgefühl mit einem Mann, der sich erst nach Vaters Tod hier blicken ließ, mir ein Dokument vor die Nase hielt, in dem bezeugt ist, dass er lebenslanges Wohnrecht hat, und sich seitdem im Turm eingenistet hat, ohne sich um uns zu kümmern! Wir waren ihm vollkommen gleichgültig, und genauso geht es mir mit ihm. Remigius kann dort oben verrotten. Dann lasse ich seine Gebeine hinaustragen und verkaufe das Gerümpel, das er gesammelt hat!«
    Die Bibliothekstür wurde geöffnet, und Eugenia kam mit vorwurfsvoller Miene herein. »Was ist denn nur los, Albrecht? Ihr reitet in der Dunkelheit fort, um Eure verrückte Schwester aus dem Sumpf zu ziehen? Heiliger Sebastian, Ihr stinkt ja wie eine Jauchegrube!« Mit spitzen Fingern zeigte ihre Schwägerin auf Maries verdrecktes Kleid. »Und wie Ihr ausseht!«
    »Sie hat sich im Nebel verlaufen. Eugenia, wir sollten die Ausrichtung der kleinen Festlichkeit besprechen, die für nächsten Sonntag geplant ist.« Albrecht legte die Hand seiner Frau auf seinen Arm und warf Marie einen mahnenden Blick zu. »Morgen, Marie.«

VII
    • •
    Die herzogliche Residenz

    Was Wunder, sich die Welt auf dem Rücken des Krebses hinzustellen, da ja der Lauf der Welt sich heute so umdreht.
    Gabriel Rollenhagen,
    »Nucleus emblematum«, 1611

    E i verteufelt, mir zwackt der Rücken und mein zartes …«

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