Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
Vom Netzwerk:
welches sie zu den Kähnen und der Isarbrücke gelangten. Die Silhouette der Residenzstadt wirkte mit ihren wenigen massigen Bauten und den sonderbar geformten Kuppeltürmen, den welschen Hauben der Frauenkirche, auf eine ernste Art feierlich. Der Duft von Gebäck stieg ihnen in die Nase. Ein junger Mann kam mit seinem Bauchladen voller Brezeln und Schmalzgebäck zu ihnen.
    Sie waren alle hungrig, und Marie winkte den Mann trotz ihrer knapp bemessenen Reisekasse herbei. »Was willst du für die Brezen?«
    Der Bursche legte den Kopf schief, um erst sie und dann die schäbige Karosse zu mustern. »Vier Kreuzer für drei Stück.«
    »Frecher Kerl! Hältst uns wohl für auf den Kopf gefallen!«, schimpfte Carl, dem die städtischen Preise bekannt waren. »Für vier Kreuzer bekomme ich eine ganze Leberwurst! Einen Kreuzer und drei Heller, sonst friss die Brezen selber!«
    »Und vier Heller!«, feilschte der Bursche. »Das ist der reguläre Preis, und davon gehe ich nicht ab, sonst kann ich meine Ware verschenken!«
    Marie zog ihren Geldbeutel aus dem Gürtel und gab dem Backwarenverkäufer das Geld. Angesichts des sich zähflüssig bewegenden Menschenstroms schätzte Marie, dass sie noch mindestens eine Stunde benötigen würden, um in die Stadt zu gelangen. Tatsächlich sollte es noch drei Stunden dauern, bis sie den Schrannenplatz im Herzen der Stadt erreicht hatten, und ihre Mägen meldeten sich erneut. Auf dem Platz wurden Getreide, Gemüse und in der nordöstlichen Ecke Fisch verkauft, es herrschte rege Betriebsamkeit. Vroni konnte sich gar nicht sattsehen an den vielen Verkaufsständen, fliegenden Händlern, den Landleuten in ihren farbenfrohen Trachten und den herzoglichen Garden, die für Einhaltung der Standordnung sorgten und manchen Streit schlichteten.
    »Vor den Bettlern und Taschendieben musst du dich in Acht nehmen, Vroni, wenn du einmal Besorgungen machst. So schnell, wie die schmutzigen kleinen Bengel dir den Beutel vom Gürtel schneiden, kannst du gar nicht schauen.« Albrecht hatte sie auch vor den überall herumlungernden gartenden Knechten gewarnt und damit die entlassenen Soldaten gemeint, die plündernd und mordend umherzogen, doch während der Fahrt waren sie unbehelligt geblieben.
    Aras knurrte, als ein zerlumpter Kerl mit langen gelben Zähnen sich am Wagenfenster festhielt und hereinschaute, doch Carl hatte ihn ebenfalls bemerkt und hieb mit seiner Peitsche auf ihn ein. »Scher dich, Lumpenpack!«, rief der erboste Kutscher.
    Vroni und Marie zogen sich ängstlich vom Fenster zurück und verzichteten bis zu ihrer Ankunft vor Georgs Haus auf neugierige Blicke.
    Als die Karosse endlich zum Stillstand kam und Carl ihnen den Verschlag öffnete, erblickten sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen schlanken, aus Backsteinen errichteten siebenstöckigen Turm.
    »Ein Glockenturm?«, fragte Vroni.
    Carl schüttelte den Kopf. »Nennt sich Löwenturm, für Wasser, glaub ich. Dort entlang.« Er nickte einem wenig einladenden Torbogen zu, der zwei dreistöckige Wohnhäuser verband.
    »Ich dachte, Georg hat jetzt eine Wohnung in der Residenz?«, sagte Marie enttäuscht. Vor einem der Läden im Erdgeschoss baumelte ein verbeulter Schuh über der Tür und zeigte an, dass dort ein Schuster arbeitete. Des Weiteren gab es eine Wirtschaft, eine Apotheke, einen Hafner und einen Wachskerzler. Langsam senkte sich die Dämmerung, und die Tordurchfahrt lag in wenig einladendem Dunkel.
    »In der Residenz wohnt es sich nicht so einfach, da muss man schon zur fürstlichen Familie gehören oder sonst eine bedeutende Person sein. Nein, nein, der Herr Georg hat eine Wohnung unter dem Dach bezogen. Wartet bitte vor dem Eingang im Hof auf mich. Ich bringe die Karosse hindurch«, sagte Carl und nahm die Pferde am Zügel, um sie mit beruhigenden Worten durch die enge Durchfahrt zu führen.
    Aras kontrollierte Ecken und Winkel des ungepflegten Innenhofs, in dem es nach Unrat und Abfällen stank, und scheuchte Ratten und eine magere Katze auf, die sich fauchend verzog. Zwischen einigen Fenstern hatten die Bewohner Wäscheleinen gespannt, auf einer Bank hockten Frauen und putzten Gemüse, und in einer Ecke werkelte ein Junge, vielleicht der Schustergeselle, an Lederstücken herum. Der Hof bot gerade genug Raum, dass eine Karosse darin wenden konnte. Stallungen mussten angemietet werden. Marie presste sich den Schal vor den Mund, denn die ungewohnte Mischung städtischer Gerüche verursachte ihr Brechreiz. Ihr war die

Weitere Kostenlose Bücher