Blut und Kupfer
würde es nicht durchgehen lassen.« Ungeduldig dirigierte Georg seine Schwester zwischen wartenden Kaufleuten, Händlern und stolzen Bürgersfrauen, die neidvoll den glänzenden Stoff von Maries Kleid betrachteten, auf das Tor zu. Bevor sie den Löwen und die Schlosswache erreichten, fragte Vroni leise hinter ihr: »Die Leute erzählen viel von diesem Kloster an der Residenz, wo die Frauen eingesperrt werden. Ist es wohl das Gebäude dort hinten?«
Georg hatte sie trotzdem gehört. »Liebes Mädchen, ich gebe dir denselben Rat wie deiner Herrin – halt dich mit solchen Reden zurück! Was da an das Schloss grenzt, ist das Ridlerkloster, und da leben edle Damen aus freien Stücken.«
Er gebot ihr zu schweigen, zeigte der Wache seinen Passierschein und hieß die Frauen in den Kapellenhof treten, wo Marie pflichtbewusst das Knie vor dem Ewigen Licht beugte, sich bekreuzigte und »Gelobt sei Jesus Christus« murmelte.
Der erste Hof zog sich lang und schmal bis hinauf zu einem rundbogigen Durchgang, der sie in den Brunnenhof führte. Dort befand sich die Breite Treppe, die sie in die Residenz brachte. Etwa einhundert mit Hellebarden bewaffnete Männer in blauweißer Uniform reihten sich beidseitig des langgezogenen Saales auf, in dem sich eine Warteschlange aus Besuchern drängte.
»Da brauchen wir uns nicht die Beine in den Bauch zu stehen. Das ist für Auswärtige«, sagte Georg und geleitete sie unter erneutem Vorzeigen seines Passierscheins durch verschiedene kleinere, spärlich ausgestattete Räume über einen Korridor, von dem aus man in den Hof sehen konnte, in die Nähe des fürstlichen Kirchenzimmers, dessen Besuch allein dem Herzog und seiner Gemahlin sowie dem Obersthofmeister vorbehalten war. Die Messe hatte bereits begonnen, und vor den Türen zur Kapelle und den Antecameras standen Wachsoldaten mit überkreuzten Hellebarden und Piken.
Georg schaute sich um und entschied: »Eine Stunde wird es noch dauern. Ich zeige Euch den Garten und die Werkstätten und später natürlich den Kaisertrakt, obwohl die Wandteppiche und Möbel erst eingestellt werden, wenn Besuch kommt. Aber die Scagliola-Arbeiten von Vater und Sohn Fistulator sind unübertroffen. Auf diese Künstler ist der Herzog mit Recht stolz! Blasius Fistulator ist ein schwieriger Mensch, macht Euch nichts daraus, wenn er barsch ist. Sein Sohn Wilhelm ist umgänglicher.«
Marie horchte auf. Vor ihrer Abreise hatte sie lange mit Remigius gesprochen und trug sein Antwortschreiben an Geheimrat Zeiner in ihrem Beutel bei sich. Remigius hatte ihr die Gründe für sein Festhalten an der Tafel dargelegt, obwohl sie sich fast sicher war, dass er ihr weiterhin etwas verheimlichte. Die begehrte Tafel gehörte zu einem Quartett von vier Tafeln, die von einem gewissen Pier Maria Serbaldi da Pescia für Lorenzo il Magnifico in Florenz gefertigt worden waren. Ihr Oheim hatte deutlich gemacht, dass Serbaldi ein Meister der Steinschneidekunst und des Münzstempelschneidens gewesen war, doch Marie hatte das Leuchten in Remigius’ Augen gesehen, wenn er über das eigenwillige Motiv in Scagliola-Technik sprach, das sich in der Mitte der Tafel befand. Allein darum ging es ihm!
Voller Neugierde auf die vielgerühmten Künstler folgte sie Georg mit einer von der Pracht der fürstlichen Residenz überwältigten Vroni und Aras im Schlepptau in die Werkstatt der Stuckateure. Niemand störte sich an Aras, denn die kleinen Hunde der Damen sprangen überall herum.
»Sagt nichts und vor allem fragt nichts!«, sagte Georg leise, bevor er auf einen knorrigen Mann mit grauem Drahthaar zuging, der sie wütend anstarrte.
»Was sollen die hier? Werden jetzt auch noch Besichtigungstouren für gelangweilte Hofdamen veranstaltet? Schert euch raus! Gaffen könnt ihr woanders!«, keifte der alte Mann und ging zu einem langen Arbeitstisch, auf dem eine Holzform lag, in die ein anderer Handwerker eine zähflüssige Masse strich.
Von dem Vorgang fasziniert trat Marie näher. »Das ist es, was man Scagliola nennt?« Erschrocken hielt sie sich eine Hand vor den Mund.
Der Alte murmelte etwas in seinen Bart, doch ein jüngerer Mann, den Marie für seinen Sohn hielt, kam dazu und lächelte sie freundlich an. Seine Lederschürze war mit Farbe und Gipsresten verschmiert. »Verzeiht, Gnädigste, wir sind etwas in Verzug geraten. Schaut Euch um, aber fasst um Himmels willen nichts an und steht niemandem im Weg. Georg!« Mit Handschlag begrüßte der Blonde ihren Bruder.
»Wilhelm, darf ich
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