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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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von Langenau.«
    Georg geleitete seine Schwester aus der Werkstatt. Doch erst als sie in einen anderen Korridor abgebogen und außer Sichtweite des Künstlertrakts waren, atmete Marie auf. Vroni und Aras folgten als aufmerksame Beobachter.
    »Gott, ich dachte schon, er hört überhaupt nicht mehr auf! Welche Impertinenz! Werno ist durch die Hand seines Freundes gefallen!«, entrüstete sich Marie.
    »Ich hatte den Eindruck, dass er das ehrlich bedauerte und nur so viel geredet hat, weil es ihm leidtut.« Georg tätschelte ihr die Hand. »Er muss sich nicht entschuldigen, Marie.«
    »Ja, ich weiß, dass Werno alles verdorben hat. Aber ich möchte nicht von Tulechow eingeladen werden. Das müsst Ihr verstehen, Georg!«
    »Wie Ihr meint, doch er ist hochangesehen hier bei Hof. Man sagt ihm eine glänzende Zukunft als Diplomat voraus. Wenn so jemand sich für Euch interessiert …«
    »Meine Zukunft … Immer geht es darum.« Sie entzog Georg ihre Hand und staunte wieder über die Unmengen an Wachen, die durch den Garten und jeden Gang marschierten. »Fürchtet der Herzog eigentlich um sein Leben?«
    Georg folgte ihrem Blick. »Nicht direkt, aber gut ausgebildete Wachtruppen sind eine Art der Machtdemonstration, genau wie ein gerüstetes Heer.« Mit düsterer Miene fügte er hinzu: »Es wird aufgerüstet, Marie. Auch wenn alle so tun, als wäre alles eitel Sonnenschein, ist nicht zu übersehen, dass man sich auf einen Krieg vorbereitet.«
    »Gegen die Türken?«
    Georg schüttelte den Kopf. »Schlimmer, viel schlimmer – ich befürchte einen Bruderkrieg.«
    »Haben wir denn gar nichts aus dem schrecklichen Krieg in Frankreich gelernt?« Der jahrzehntelange Religionskrieg hatte Frankreich ausbluten und viele Protestanten Zuflucht in deutschen Fürstentümern suchen lassen. Aras stupste sie an und drückte seinen Kopf an ihre Seite. Dabei knisterte es in ihrem Gürtelbeutel, und Marie wurde sich einer anderen, latenten Bedrohung bewusst. Der Brief ihres Oheims wog plötzlich schwer. »Wo finde ich eigentlich den Geheimrat Zeiner?«

VIII
    • •
    Bürokraten und Kapuziner

    Alles Herrliche ist selten.
    Cicero (106–43 v. Chr.),
    »Laelius de amicitia«

    N achdem die erste Begegnung mit Herzogin Elisabeth von Bayern enttäuschend verlaufen war, denn Marie war nicht aus dem Pulk der Vorzimmerdamen herausgebeten worden, machte sie sich eigenständig auf die Suche nach dem Büro von Geheimrat Zeiner. Vroni und Aras verbrachten ihre Zeit sicher angenehmer. Der Hofgarten mit seinen weiten Grünflächen, den Hecken und kleinen Tempeln wirkte verlockend. Und Maries Magen knurrte. Die Damen der Herzogin schienen die langen Vormittage ohne Imbiss gewohnt zu sein und bewahrten ihre würdevoll gezierte Haltung in den unbequemen Reifröcken und steifen Korsetts.
    »Vroni, wenn du wüsstest, wie ich dich um deine einfachen Kleider beneide«, sprach Marie zu sich selbst, während sie mit geradem Kreuz durch die endlosen Gänge der verzweigten Residenz schritt. Sobald sie außer Atem geriet, verlangsamte sie ihren Schritt, zupfte an ihren Armaufschlägen, kontrollierte die mit Stoff überzogenen Knöpfe ihrer Schoßjacke und setzte ein Lächeln für entgegenkommende Beamte und Besucher der Residenz auf. Zumindest schien ihr Kleid nicht so sehr aus der Mode, dass man ihr Ärmlichkeit nachsagen konnte. Die Herren schienen ihrem Äußeren noch einiges abgewinnen zu können, denn man grüßte sie mit ausgesuchter Freundlichkeit. Sie war zwar ein gepflücktes Blümchen, doch nicht so welk, als dass man sie missachtet hätte, dachte Marie. Vielleicht waren die vielen Spaziergänge doch von größerem Wert für die menschliche Konstitution als stundenlange Exerzitien, die nur enervierend sein konnten, wie Eugenias ausgelaugtes Erscheinungsbild bewies.
    In diesem Korridor meinte sie Akten und Staub förmlich riechen zu können. Hier war nichts von der Pracht der herzoglichen Gemächer oder des Antiquariums zu sehen, und die eifrig über ihre Stehpulte gebeugten Herren in Schwarz, deren Federn im gleichmäßigen Takt eines unsichtbaren Galeerentrommlers über das Papier kratzten, waren ganz zweifellos professionelle Schreiber.
    »Gott zum Gruße. Ich habe ein Schreiben für den Geheimrat Zeiner«, sagte Marie und wartete auf eine Reaktion von einem der sieben Schreiber, die wie einstudiert den Kopf hoben, ihr ein Nicken schenkten, die Federkiele in ihre Tintenfässer tauchten und weiter in dicken Büchern endlose Zahlenreihen und Auflistungen

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