Blut und Kupfer
Wachposten aufgestellt hatte.
»Wer bewacht hier wen, Georg? Die Wachen die Künstler oder die Wachen sich selbst?«, flüsterte Marie, die beobachtete, wie sich die Wachleute gegenseitig verstohlene Blicke zuwarfen.
»Die Steine, die hier verarbeitet werden, kommen aus den fernsten Winkeln der uns bekannten Welt und sind nicht nur wertvoll, sondern auch rar, was sie umso begehrenswerter macht«, sagte Georg leise und stand andächtig mit auf dem Rücken verschränkten Händen.
»Seht doch, der dort sägt einen Flügel aus der schwarzen Scheibe!« Beeindruckt schaute Marie zu, wie einer der Steinschneider mit Hilfe eines Sägebogens die Form eines winzigen Vogelflügels aus einer hauchdünnen Pietra-Dura-Scheibe austrennte, die in einem Block eingespannt war. An einem Nebentisch wurden winzige Vogelköpfe und Blätter aus Achat und Lapislazuli mit Schmirgelsand und einem Chalzedonblock, wie Georg erklärte, bearbeitet.
Marie war ganz versunken in die Handwerkskunst der Steinschneider, so dass sie den neuen Besucher erst bemerkte, als er bereits hinter ihr stand.
»Herr von Kraiberg, habt Ihr auch eine Arbeit in Auftrag gegeben? Diese Männer hier verstehen ihr Handwerk wahrhaftig, aber vielleicht darf ich mich zuerst Eurer bezaubernden Begleiterin vorstellen?«
Marie drehte sich um und fand sich einem eleganten Höfling gegenüber, dessen attraktives Äußeres ein unbestimmtes Gefühl der Ablehnung in ihr auslöste. Während sie grübelte, woher sie den Mann kannte, sagte ihr Bruder: »Marie, ich möchte Euch mit Herrn von Tulechow bekannt machen.«
»Ah, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich bin Euch einmal begegnet, auf einem Fest des Grafen von Hameling. Ihr seid gut mit dem Grafen befreundet, nicht wahr? Von Hameling hat meinen Mann getötet.« Wieder einmal hatte sie den Mund nicht halten können und ärgerte sich über ihre Unbedachtsamkeit.
Das Lächeln auf dem gut geschnittenen Gesicht des großen Mannes, der sich elegant in Pose gestellt hatte, gefror. Doch Severin von Tulechow gewann seine Fassung rasch zurück und verneigte sich formvollendet. Sein Wams war aus silberdurchwirktem Brokat, gerade so viel, dass es nicht überladen wirkte. Gürtelbeutel und Spitzenbesätze an Ärmeln und Kragen bestachen durch feine Stickereien und unterstrichen das Bild eines attraktiven Hofmanns in den besten Jahren.
»Verzeiht, wie konnte ich so taktlos sein. Ihr seid die Witwe des armen Werno von Langenau. Sehr tragisch das alles, aber ich muss Dietz in Schutz nehmen, es war ein Duell nach allen Regeln. Euer seliger Gatte hat es herausgefordert, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Natürlich mildert das Euren Verlust nicht, und ich spreche Euch mein Beileid aus.«
»Die Umstände waren sehr unglücklich«, erwiderte Marie.
»Äußerst dramatisch. Darf ich fragen, was Euch nach München bringt?«
Georg antwortete an ihrer Stelle: »Die Herzogin hat meine Schwester eingeladen.«
Das entsprach zwar nur teilweise der Wahrheit, doch schien es Herrn von Tulechow, wie beabsichtigt, noch mehr für Marie einzunehmen. Mit seinen dichten, dunkelbraunen Haaren, die an den Schläfen von erstem Grau durchzogen waren, dem kurzen Kinn- und Oberlippenbart und Augen, die auf eine nicht unangenehme Art leicht vortraten, konnte er sich seiner Wirkung auf Frauen gewiss sein, dachte Marie. Und dass er seine Ausstrahlung kannte, sprach aus jeder seiner selbstsicheren Bewegungen.
Tulechow hob anerkennend eine Braue. »Das ist eine große Ehre.«
Für eine mittellose Witwe wie mich, führte Marie den Satz in Gedanken weiter und hörte mit schmalen Lippen zu.
»Dadurch stehen Euch neue Türen offen, und Ihr werdet interessante Menschen kennenlernen. Der Münchner Hof hat einen Ruf weit über die Grenzen des Herzogtums hinaus. Liebt Ihr die Musik, oder seid Ihr mehr den Künsten oder der Literatur zugetan? Ah, es wäre mir eine große Freude – vorausgesetzt, Ihr seid einverstanden und Euer Bruder erlaubt es mir –, Euch einigen Malern oder Literaten vorzustellen.« Erwartungsvoll sah er von Marie zu Georg, der zustimmend nickte.
»Geben wir meiner Schwester Zeit, sich einzugewöhnen. Heute ist ihr erster Tag in der Residenz.«
»Selbstredend. Ihr müsst mich für furchtbar aufdringlich und roh halten. Bitte, verzeiht mir!« Tulechow verneigte sich erneut und zog ein zusammengerolltes Blatt Papier aus seinem Wams. »Ich bin eigentlich hergekommen, um ein Geschenk in Auftrag zu geben. Auf bald. Herr von Kraiberg, werte Frau
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