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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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vervollständigten.
    Die Pulte der Schreiber waren versetzt vor einem Dutzend Türen angeordnet. Von Georg wusste Marie, dass nur ein Teil der Hofbeamten in der Residenz arbeitete, denn der riesige bürokratische Apparat, den Maximilian immer weiter ausbaute, bedurfte eines eigenen Gebäudekomplexes. Da jedoch Schreiber und einige Beamten ständig am Hof benötigt wurden, gab es diesen Trakt sozusagen als erste Anlaufstelle für dringliche Belange.
    »Geben Sie es mir. Ich leite es weiter.«
    Die schnarrende Stimme gehörte einem dünnen Mann mit grillenartigen Fingern, die er über sein Pult nach dem Brief ausstreckte. Er legte ein Augenglas ab und sah sie aus tiefliegenden Augen abschätzend an.
    »Nein. Ich möchte persönlich mit dem Geheimrat sprechen.« Sie zog den Brief zurück, und die Finger verschwanden hinter dem hölzernen Aufsatz.
    »Wen soll ich in welcher Angelegenheit melden, gesetzt den Fall, a: der Herr Geheimrat ist anwesend, und b: er hat Zeit?«
    Eine Grille, die Paragraphen phrasiert, dachte Marie und sagte höflich: »Marie von Langenau in der Sache des Herrn von Kraiberg.«
    »Bitte Sie zu warten.« Der Schreiber, auf dessen Schädel dünne graue Haarsträhnen klebten, klemmte sich die Feder hinters Ohr und trat hinter seinem Pult hervor. Er hatte einen runden Rücken, und seine ganze Haltung deutete darauf hin, dass er den Großteil seines Lebens hinter diesem Stehpult verbrachte.
    Marie sah zu, wie er hinter einer der schmalen Türen verschwand, und beobachtete die Laufburschen und Beamten, die mit Umschlägen und Dokumentenrollen geschäftig hin und her eilten. Bewaffnete Wachen gab es hier nur zwei, und die lehnten dösend im Durchgang zum Hauptflügel. Wie kam Georg nur zu der Annahme, dass es bald Krieg gäbe? Alle hier gingen ihren Aufgaben routiniert nach, und die Einhaltung und Umsetzung der Mandate zu kontrollieren schien die Hauptaufgabe der Beamten.
    »Bitte einzutreten!«, forderte der Schreiber sie auf und
winkte.
    Ein unangenehmer Geruch von altem Schweiß und Zwiebeln ging von dem Schreiber aus, als Marie an ihm vorbei in das Büro des Geheimrats trat.
    Kaspar Zeiner stand mit erwartungsvollem Blick neben seinem Schreibtisch. Ein mächtiger Schnurrbart, dessen Enden nach oben gezwirbelt waren, verlieh seinem Gesicht etwas Verschmitztes, was jedoch keineswegs seinem Wesen entsprach, wie Marie schnell herausfinden sollte. Kinn und Wangen waren ebenfalls von kurzgestutztem Bartwuchs bedeckt, der wie die schulterlangen Haare bereits ergraut war. Entsprechend der höfischen Kleiderordnung lag ein breiter weißer Kragen über dem schwarzen Wams, und Marie registrierte die kräftige Gestalt eines Beamten, der durchaus mit seinem Degen umzugehen verstand. »Merz, schließe Er die Tür!«, befahl er dem Schreiber.
    »Bitte, setzt Euch doch, meine Gnädigste. Wie reizend, dass Ihr mir die Antwort Eures Oheims persönlich zu überreichen wünscht.«
    Marie machte es sich mit dem sperrigen Reifrock so bequem wie möglich auf dem angebotenen Stuhl und reichte Zeiner den versiegelten Brief, den dieser mit einer Verbeugung entgegennahm.
    »Ihr erlaubt?«
    Sie nickte und wartete, bis der Geheimrat die Zeilen ihres Onkels überflogen hatte, wobei sich seine Miene zunehmend verdüsterte. Sich mehrfach über den Bart streichend, räusperte er sich und legte den Brief schließlich auf einen der Aktenberge auf seinem Schreibtisch. »Ihr kennt den Inhalt?«
    »Deshalb wollte ich mit Euch sprechen.«
    »Wie ungewöhnlich.« Der Geheimrat griff nach einem silbernen Döschen, nahm in gezierter Manier ein braunes Pulver mit dem langen Fingernagel seines kleinen Fingers heraus und führte diesen an seine Nase.
    Fasziniert beobachtete Marie den Vorgang und entsann sich eines Festes auf Gut Langenau, bei dem einer der Besucher seine Nase auf ähnliche Weise gereinigt hatte. Der Geheimrat sog das Pulver ein, verzog das Gesicht mit geschlossenen Augen zu einer Grimasse, zog ein Taschentuch aus seinem Ärmel und entleerte seine Nase mit einem lauten Niesen dort hinein. »Dieses exotische Kraut hilft bei Nasenkatarrh und Fiebrigkeit. Bitte, lasst Euch nicht ablenken. Die Antwort Eures Oheims ist äußerst dezidiert, und ich frage mich, was Ihr mir anzubieten hättet?«
    »Wie käme ich dazu? Nein! Ich möchte Euch erklären, warum mein Oheim die Tafel nicht hergeben will.«
    Zeiner hob eine buschige Braue und setzte die Schnupftabakdose auf den Tisch. »Seid versichert, dass die Beweggründe für eine Absage

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