Blut und Kupfer
dem Herzog gleichgültig sind. Seine Durchlaucht haben den Wunsch geäußert, die Tafel und den Bezoar in Besitz zu nehmen. Es ist höchst unklug, sich dem herzoglichen Wunsch zu widersetzen.«
»Mein Oheim ist ein todkranker Mann und wünscht sich nichts mehr, als die ihm verbleibende Lebenszeit inmitten seiner Sammlung verbringen zu können. Er war selbst Steinschneider und erfreut sich am Anblick der schönen Tafel. Wie könnte der Herzog so herzlos sein und einem armen alten Mann diese letzte Freude nehmen wollen?«
»So ernst steht es um Euren Oheim?« Zeiner ging zu einem runden Marmortisch und deutete auf einen Weinkrug. »Möchtet Ihr einen Schluck?«
»Nein danke.«
Der Geheimrat strich über die kleine Tischplatte. »Hübsch, nicht wahr? Eine Arbeit von Wilhelm Fistulator. Eine Probemischung für Scagliola-Tafeln im Kaiserhoftrakt.«
Erstaunt stand Marie auf und sah sich die Tischplatte an, die aus der Entfernung wie Buntmarmor gewirkt hatte. »Erstaunlich! Täuschend ähnlich!«
»Der Herzog ist ganz vernarrt in die Scagliola-Arbeiten. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass er das alleinige Recht auf die Scagliola-Kunst besitzt. Das heißt, er hat sich die derzeitig einzigen Kenner des Scagliola-Geheimnisses, die Meister Wilhelm und Blasius Fistulator, verpflichtet. Der Herzog hat, und das bleibt natürlich unter uns, gegenüber dem Kunstkämmerer Widmann, der mein Vorgesetzter ist, geäußert, dass die Tafel Eures Onkels in Scagliola-Technik gefertigt sein könnte?«
Die Frage traf sie so unerwartet, dass sie ihre Hand zu schnell zurückzog und dabei einen der kleinen Becher vom Tisch stieß. »Verzeihung, ich bin so ungeschickt.«
Zeiner bückte sich mühelos und stellte den Zinnbecher wieder auf den Tisch. »Aber nicht doch.« Er schob ihr den Stuhl hin und drückte ihr den anderen Becher in die zitternde Hand. »Nehmt einen Schluck. Ich wollte Euch nicht erschrecken.«
Maries Atmung hatte sich wieder normalisiert, und sie verfluchte die enge Schnürung des Korsetts, das Frauen zu nach Luft schnappenden Gänsen machte. »Aber nein, das ist es nicht. Ich bin nur schon so lange auf den Beinen und das höfische Zeremoniell nicht gewohnt. Ich muss den Herzog enttäuschen. Die Tafel meines Oheims ist in Pietra-Dura gefertigt, und das Bildmotiv in der Mitte ist ein Gemälde, Farbe auf Holz.« Mehr fiel ihr nicht ein, und sie probierte den Rotwein, der erstaunlich gut war. In jedem Fall verdiente der Geheimrat mehr als ihr Bruder.
»Ach? In Kunstfragen hat der Herzog sich als Kenner bewiesen und wird sehr enttäuscht sein, von diesem Irrtum zu erfahren.« Zeiner ging um seinen Schreibtisch herum und rückte nachdenklich Papiere hin und her. »Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und sagen, dass der Stolz Seiner Herzoglichen Durchlaucht verletzt sein wird.«
»Dazu besteht keine Notwendigkeit, denn im schlechten Licht und in der Eile kann man sich leicht täuschen. Andererseits müsste der Herzog ja gar nicht mit dieser schmerzlichen Wahrheit konfrontiert werden«, sagte Marie vorsichtig und mit einem Lächeln.
Zeiner sah sie scharf an. »Die Kunstkennerschaft des Herzogs steht außer Frage, und notfalls wird es zu einer zweiten Besichtigung kommen. Es wäre doch auch möglich, dass Ihr Euch getäuscht habt!«
»Aber nein!«, sagte sie schnell.
»Nun, ich werde Seine Durchlaucht von der Wendung in dieser Angelegenheit in Kenntnis setzen. Und eine Erhöhung des Angebots wäre zwecklos?«, fügte Zeiner wie nebenbei hinzu.
»Vollkommen unnötig. Ich habe Euch gesagt, wie die Dinge stehen und dass mein Oheim sich unter keinen Umständen von der Tafel trennen wird. Eine zweite Besichtigung ist daher auch nicht notwendig.«
»Diese Entscheidung obliegt allein dem Herzog.«
Marie stellte den Becher ab und erhob sich. »Dann habe ich in dieser Angelegenheit alles gesagt. Habt Dank für Eure Zeit, Herr Geheimrat.«
Zeiner brachte sie zur Tür. »Euer Onkel war doch Steinschneider und einige Jahre in den Diensten Seiner Durchlaucht. Er sollte den Herzog besser kennen.«
»Wie meint Ihr das?«
Zeiner zuckte mit den Schultern und winkte seinem Schreiber. »Merz, komm Er mit den Unterlagen für die nächste Visitation.«
»Sofort, Herr Geheimrat.«
Marie sah ein, dass ihre Bemühungen auf unfruchtbaren Boden gefallen waren, und sehnte sich nach vertrauten Menschen, die ihr keine versteckten Drohungen mit aufgesetztem Lächeln präsentierten. Überglücklich umarmte sie bald darauf die völlig
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