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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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dunkelte. Karossen wurden mit Laternen bestückt und verließen die Residenz. Hochgestellte Beamte, die ihre Schuhe nicht dem nassen Straßenkot aussetzen wollten und es sich leisten konnten, ließen sich in Tragsesseln nach Hause bringen, die meist von Mohren getragen wurden, die während des Krieges mit den Osmanen in Gefangenschaft geraten waren. An derlei Nebensächlichkeiten verschwendete Georg in seiner Wut keinen Gedanken, sondern forderte seine Schwester barsch auf, mit ihm zu kommen.
    »Was fällt Euch ein, mich hier stundenlang warten zu lassen! Ich habe zwei Diener damit beauftragt, Euch in der gesamten Residenz zu suchen, und mich damit schön zum Narren gemacht! Wo zum Henker wart Ihr?«
    Es regnete dicke Tropfen, und Marie zog die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht. Das Buch hatte sie in ihre Jacke gesteckt und drückte mit einer Hand gegen die Unterkante, damit es nicht herunterrutschte. »Bei den Kapuzinern«, murmelte sie.
    »Was? Ihr seid allein durch die halbe Stadt gelaufen, um mit einem Mönch zu sprechen, den unser schwachsinniger Oheim irgendwann gekannt hat?« Selten hatte sie Georg so wütend erlebt.
    »Daran ist doch nichts Unehrenhaftes!«, verteidigte sie sich, während sie durch die schlecht beleuchteten Gassen stolperten.
    Georg seufzte und blieb stehen. Marie und Vroni wären fast ineinandergelaufen. Das Mädchen wusste nur, dass Ambrosius verstorben war, und dabei wollte Marie es auch belassen.
    »Die Stadt ist gefährlich, Marie. Ich bin hier in München für Euch verantwortlich. Albrecht reißt mir den Kopf ab, wenn Euch etwas zustößt, und …« Seine Stimme wurde sanfter. »Ich könnte mir das nie verzeihen. Marie, hier lauern an jeder Ecke Diebe und Halsabschneider. Und da nützt Euch auch der Hund nichts.«
    »Es tut mir leid, Georg, und ich verspreche, dass es nicht wieder vorkommt.«
    Er nahm ihre Hand und legte sie auf seinen Arm. Seite an Seite setzten sie ihren Weg fort. »Und habt Ihr mit dem alten Mönch gesprochen?«
    »Er war tot.«
    »Was?«
    »Unglücklicherweise ist er heute verstorben. Ich war zu spät. Er war alt und kränklich. Armer Ambrosius.«
    »Ihr kanntet ihn doch gar nicht, wie kann er Euch da leidtun?«
    Sie bogen in die Dienergasse ein, die zum Schrannenplatz führte. Ein Gewürzhändler schlug gerade die Läden vor seine Fenster, und drei betrunkene Männer torkelten aus einer Branntweinschenke.
    »Ich hätte gern mit ihm gesprochen, und es tut mir leid wegen Remigius. Immerhin war Ambrosius ein Freund von ihm«, meinte Marie und wendete sich ab, als einer der Betrunkenen sich direkt neben ihr an einer Mauer erleichterte.
    »Seht Ihr, was ich meine? Sobald es dunkel wird, kriechen die Ratten aus ihren Löchern und machen die Straßen noch unsicherer, als sie es ohnehin schon sind.«
    Natürlich hatte Georg recht, und wenn er wüsste, was sie bei sich trug und vor allem wie sie dazu gekommen war, würde er sie keinen Schritt mehr ohne Aufsicht machen lassen. »Ich hatte nicht gedacht, dass das Kloster so weit entfernt ist. Beim ersten Mal schien es viel näher.«
    »Weiber!«, seufzte Georg, aber es klang nicht mehr wütend. »Und was ist das überhaupt für ein Freund von Remigius, den er jahrelang nicht gesehen hat, und plötzlich sollt Ihr ihn aufsuchen? Warum?«
    »Alte Erinnerungen«, log Marie. »Remigius ist krank und fühlt sein Ende nahen. Vielleicht wollte er wiedergutmachen, was er so lange versäumt hat. Wer weiß schon, was man tut, wenn der Sensenmann anklopft …«
    »Meine Schwester, das Orakel. Also schön, aber lasst Euch nicht wieder für irgendwelchen Unfug von dem Alten einspannen. Soll er doch einen Boten bezahlen! Und jetzt genug davon. Ich habe eine erfreuliche Nachricht für Euch. Ihr seid anscheinend beliebter als erwartet bei Hof.« Er tätschelte ihr die Hand. »Die erste Einladung dürftet Ihr erwartet haben. Doktor Kranz möchte Euch auf einen Ausflug nach Schleißheim mitnehmen.«
    »Oh.« Marie klang wenig erfreut.
    »Doktor Kranz wäre eine solide Partie, aber ein wirklicher Aufstieg wäre eine Verbindung mit diesem Verehrer. Ihr ratet es nicht.«
    Vroni, die hinter ihnen ging, kicherte leise.
    »Nein, ich habe keine Ahnung, wessen Aufmerksamkeit ich erregt habe.«
    »Die des Herrn von Tulechow! Ich war selbst überrascht, dachte ich doch, er redete nur schön daher bei unserer ersten zufälligen Begegnung. Ihr entsinnt Euch?«
    »Ihr meint doch nicht etwa jenen Tulechow, den Freund des Grafen von Hameling, der mich zur

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