Blut und Kupfer
elegant durch die Stuhlreihen. Seine Haltung und sein charmanter, leicht herablassender Gesichtsausdruck drückten aus, dass er sich der Aufmerksamkeit der Hofdamen gewiss war, von denen einige ihn mit glühenden Blicken voller Sehnsucht verfolgten. Marie nahm eine würdevolle Haltung ein und reichte Tulechow die Hand, als er sich vor ihr verneigte.
Er hielt ihre Finger einen kurzen Moment prüfend fest, bevor er sie freigab. »Ihr habt ausgesprochen zierliche Hände, Frau von Langenau. Hände, die in kostbare Seide gehüllt sein sollten. Wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gern ein Geschenk machen.«
»Das ist sehr freundlich, doch …«
»Meine Schwester wäre entzückt«, mischte Georg sich bestimmt ein. »Sie ist nur viel zu bescheiden.«
Tulechow lächelte. »Was sie umso anziehender macht. In den vergangenen Tagen war ich in geschäftlichen Dingen unterwegs, doch nun habe ich etwas Zeit zu meiner freien Verfügung und würde sie gern Eurer Schwester schenken.«
Wieder übernahm Georg das Antworten für sie. »Überaus großzügig, in der Tat.«
»Ich gebe am Sonnabend ein kleines Fest in meinem Stadthaus.« Während er an den Aufschlägen seines goldbestickten Wamses zupfte, sah Tulechow Marie unverwandt an. »Unter meinen Gästen sind illustre Leute. Meister Peter Candid wird dort sein, vielleicht kommt auch Wilhelm Fistulator. Das hängt von seinem übellaunigen Vater ab. Und eine Truppe aus Norditalien, Berufsschauspieler der Commedia dell’Arte und …« Er hielt inne. »Meine Feste sind bekannt dafür, nicht langweilig zu sein. Ich würde Euch und Eurem Herrn Bruder einen Tragsessel schicken, der Euch sicher und bequem durch die Stadt bringt.«
Georg, der aufgestanden war, neigte den Kopf. »Wir nehmen Eure Einladung dankend an, Herr von Tulechow.«
»Entschuldigung, aber ich werde am Sonnabend nicht mehr hier sein«, warf Marie entschlossen ein.
Tulechow hob eine Braue. »Dann wisst Ihr es noch nicht? Nun, es ist mir eine Ehre, Euch davon in Kenntnis zu setzen, dass die durchlauchtigste Herzogin Euch das Privileg gewährt hat, Quartier im Ridlerkloster zu beziehen.«
»Was? Aber nein! Das geht nicht, ich bin keine …«, rief Marie lauter als beabsichtigt und zog neugierige Blicke auf sich.
Die Kapelle hatte sich gefüllt, und man wartete nur noch auf die Herzoglichen Hoheiten. Tulechow beugte sich zu ihr. »Ich muss Euch verlassen. Dass Ihr kein Gelübde ablegen wollt, hoffe ich doch sehr …«
Wie zufällig berührte er ihre Schulter und begab sich zu seinem Platz, wo er von der Gräfin von Larding, die ihre Unterhaltung neugierig verfolgt hatte, erwartet wurde. Marie war sich sicher, dass sie diese Einladung der Herzogin nur der intriganten Larding zu verdanken hatte. Wütend ballte sie die Fäuste im Schoß und starrte nach vorn, wo der Pater sich auf den Beginn der Messe vorbereitete.
Georg lächelte ihr aufmunternd zu. Erst nach dem Gottesdienst konnten sie wieder miteinander sprechen, denn selbst ein heimliches Flüstern affrontierte das herzogliche Paar.
In einer Ecke des Vorraums zum Antiquarium fand Marie endlich Gelegenheit, unter vier Augen mit Georg zu sprechen, der jedoch mehr auf die Höflinge achtete als auf seine wütende Schwester. »Georg, zum Teufel! Ich gehe nicht in dieses Kloster! Und überhaupt fühle ich mich nicht geehrt, sondern bestraft, in dieses Gefängnis gehen zu müssen!«
»Ach, so gebt doch Ruh! So viel Unverstand hätte ich bei Euch nicht erwartet, Marie«, sagte Georg vorwurfsvoll.
Erst kürzlich hatte sie jemand auf ganz ähnliche Weise getadelt, und sie fragte sich, ob sie tatsächlich derartig irrational reagierte.
»Nur die Damen, die dort die Gelübde ablegen und in Klausur gehen, verlassen das Kloster nicht. Ansonsten ist es ein wundervoller Ort, um sich zu sammeln und Ruhe zu finden. Himmlische Heerscharen, andere Damen würden ihr Hab und Gut hingeben, um dort leben zu dürfen.«
»Dann gebe ich meinen Platz gern weiter. Ich muss nach Kraiberg! Versteht Ihr? Ich muss einfach fahren! Der Oheim ist krank, und einem Pächtersohn wird großes Unrecht widerfahren, wenn ich ihm nicht helfe.« Flehentlich rang sie die Hände.
Georg fuhr sich seufzend durch die Haare. »Der Oheim ist alt, was erwartet Ihr? Und was geht Euch ein Pächtersohn an? Haltet Euch raus, solche Dinge regelt Albrecht.«
»Nein, nein, das tut er eben nicht. Es gibt da einen bösartigen Schwaigbauern, der …«, wollte Marie erklären, wurde jedoch energisch von Georg
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