Blut und Kupfer
Duft ging von der Gräfin aus, die ihr kunstvoll aufgestecktes Haar anscheinend mit blumigen Essenzen getränkt hatte.
»Ich weiß, dass Ihr München verlassen wolltet, aber Tulechow bat mich, Euch um jeden Preis hier zu halten, und sein Wunsch ist mir Befehl.« Sie lachte dunkel.
Marie betrachtete das scharfe Profil der blonden Frau, deren Kinn zu spitz war und deren Haut an Straffheit verlor. Vielleicht hatte sie Tulechow als Liebhaber fesseln können, doch ihre besten Zeiten waren vorüber, und womöglich versuchte sie sich die Gunst des begehrten Mannes nun durch das Zuspielen geeigneter Gespielinnen zu erhalten.
Als Marie schwieg, fuhr sie fort: »Ihr müsst im Ridlerkloster natürlich nicht in Klausur gehen. Ihr habt durch den Verbindungsgang jederzeit Zugang zur Residenz, und das hat doch viele Vorteile, meint Ihr nicht?«
»Da ich zu dieser Entscheidung nicht befragt wurde, muss ich davon ausgehen, dass es so ist«, erwiderte Marie frostig.
»Jetzt seid doch einmal ehrlich! Was könntet Ihr schon Wichtiges auf dem Lande verpassen, während einer der begehrtesten Junggesellen des Herzogtums um Eure Hand bemüht ist?«
Marie räusperte sich. »Wann kann ich in die Wohnung meines Bruders, um meine Sachen zu holen?«
»Das wird alles für Euch arrangiert. Ach ja, und diesen fürchterlichen grauen Hund könnt Ihr natürlich nicht mitnehmen.«
Das nächste Paar Flügeltüren wurde geöffnet, und eine Woge aus verhaltenen Stimmen und leiser Musik umfing Marie im Bienenstock der herzoglichen Hofdamen.
XII
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Klostergeflüster
Sudines sagt, der Astrobolus sehe aus wie Fischaugen
und werfe in der Sonne weiße Strahlen.
Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«
D ank großzügiger Mäzene und Stifter konnte sich die Fassade des Ridlerklosters mit ihren kassettierten Wandflächen, den aufgesetzten Säulen und den kleinen, stuckverzierten Fenstern neben der prächtigen Residenz behaupten. Das Dach war in tadellosem Zustand, und von der Ärmlichkeit des Kapuzinerklosters war hier nichts zu spüren. Die Damen, die ihr Leben innerhalb dieser Mauern verbrachten, mussten keinen allzu schmerzhaften Verzicht üben, dachte Marie und trat aus dem Kreuzgang hinaus in den Garten. Der Himmel war wolkenverhangen, doch es regnete nicht, und sie nutzte die ruhige Stunde vor dem Mittagessen, um sich in ihrem neuen Quartier zu orientieren.
Das ehemalige Seelhaus befand sich zwischen der Residenz und dem Franziskanerkloster. Auf der Vorderseite verlief die Schwabinger Gasse, und auf der Rückseite befand sich die Stadtmauer mit Türmen, Zwinger und dem Stadtgraben. In weißen Haustrachten bewegten sich die Bewohnerinnen innerhalb der Klostermauern. Sicherer konnten die Damen nicht behütet oder eingesperrt werden. Das hing ganz von der Betrachtungsweise ab. Marie bückte sich nach einer kleinen Katze, die unter einem Busch hervorlugte. »Na komm her«, lockte sie das dreifarbige Tier, das sie unschlüssig beäugte.
»Habt Ihr Euch in unseren bescheidenen Räumen eingerichtet?« Die Oberin, eine große Frau mit herben Gesichtszügen und dem Gebaren einer Autorität, die das Befehlen gewohnt ist, trat neben sie.
»Danke. Wenn ich Euch den Raum für einen Gast nehme, der dieser Mauern mehr bedarf als ich, dann lasst es mich bitte unverzüglich wissen«, erbat sich Marie und erntete ein spöttisches Lächeln.
»Die Herzogin könnte denken, Ihr wäret undankbar. Seid Ihr das?«
Marie strich ihren seidenen Oberrock glatt und schenkte der Oberin einen freundlichen Blick. »Es ist ein Privileg, hier wohnen zu dürfen. Das ist mir durchaus bewusst, doch ich war im Begriff, meinen kranken Oheim aufzusuchen, und muss nun um sein Leben bangen. Meine Dienerin musste allein nach Kraiberg reisen, denn es gibt weitere Angelegenheiten, die meiner Aufmerksamkeit bedurft hätten.«
Erstaunt hob die Oberin die dünnen Brauen. »Unter diesen Umständen solltet Ihr bei Eurem Oheim sein, da pflichte ich Euch bei.«
»Nun, es ist, wie es ist. Ich habe mich den Wünschen meiner Brüder zu beugen.«
»Wir alle müssen denen, die uns gebieten, Gehorsam entgegenbringen.« Die ältere Frau hob ihre Augen zum Himmel. »Meinem Herrn diene ich mit Freuden, doch nicht alle sind zum Dienen geboren. Euch mangelt es an Demut, was dazu führt, dass Euer Weg steinig sein wird. Aber das wisst Ihr bereits, nicht wahr?«
»Wenn Ihr es sagt, Mutter Oberin …«
»Gott segne und beschütze Euch!« Die
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