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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Kofferraum und stieg ein.
    »Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht sofort ins Krankenhaus fahren soll?«
    »Fahren Sie den Wagen nach!«, keuchte ich.
    Er runzelte die Stirn. »Sie sind ...«
    »Ja, ich weiß, verrückt. Das sagten Sie bereits.«
    »Trotzdem mache ich nicht jede Verrücktheit mit«, sagte er mit energischer Stimme. »Es reicht. Ich fahre Sie jetzt nach Hause, lasse Ihnen noch ein paar Schmerzmittel da, von denen Sie offiziell nicht wissen, wie die in Ihren Besitz gelangt sind, und vielleicht sehen wir uns ja dann spätestens morgen wieder.«
    Ich hatte keine Chance, ich war ihm ausgeliefert. Ich versuchte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren, um die Schmerzen auszublenden. Ich sah, wie immer mehr Leute aus dem Neuen Krug strömten. Die Verwirrung schien groß.
    Hölderlin startete den Wagen und fuhr los.
    Auf halbem Weg färbte sich der Himmel Richtung Berlebeck rot. Meine düstere Vorahnung wuchs. Ein Notarztwagen mit Sirenengeheul und Blaulicht raste an uns vorbei. Doch Hölderlin fuhr unbeirrt weiter.
    Schließlich hatten wir die Gemäuer meines Domizils erreicht. Ich hörte Luna bellen. Braver Hund , dachte ich.
    Hölderlin half mir aus dem Wagen und stützte mich. An der Wohnungstür verabschiedete er sich. »Sie schaffen das schon«, sagte er. Er drückte mir die Hand. Ein paar weitere Pillen wechselten den Besitzer.
    Ich öffnete die Tür. Luna lief freudig um mich herum. Ihr Verband war von tadellosem Weiß. Die Wunden waren offenbar verkrustet und bluteten längst nicht mehr.
    Ich schloss die Tür und ließ mich erschöpft in den Rollstuhl fallen, den Hölderlin mir zuvor wieder auseinandergeklappt hatte.
    Luna bellte. »Du hast Hunger!«, entfuhr es mir. Es war gar nicht so einfach, das alles mit dem Rollstuhl zu bewältigen, aber es war die schmerzloseste Art, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Und im Moment auch immer noch die schnellste.
    Nachdem ich Luna zufriedengestellt hatte, spürte ich die Müdigkeit. Der Abend hatte mich völlig ausgelaugt – und der Ellenbogenschlag hatte mir den Rest gegeben.
    Ich rollte zu meinem Sofa. Da klingelte das Telefon.
    Ich nahm ab. Es war Maren.
    Und es wurde ein langes Gespräch.
    Als ich schließlich auflegte, bedauerte ich umso mehr, dass sie heute Abend nicht an meiner Seite war. Aber sie war nun mal nicht mein Kindermädchen. Ich begriff, dass ich unserer Beziehung Zeit geben musste. Zeit und Geduld. Als ich gerade aufgelegt hatte, klingelte es erneut. Nanu, hatte sie es sich doch anders überlegt?
    Aus dem Hörer klang zunächst nur ein Schluchzen. Ich versuchte, die Stimme zu erkennen. Es war eine männliche Stimme, aber sie klang sehr hoch, wie in Panik. Schließlich wusste ich, wer dran war. »Armin?«, fragte ich verwirrt. Er schien völlig aufgelöst zu sein.
    Seine ersten Worte verstand ich kaum. Sie gingen in Weinen unter. Aber schließlich stieß er hervor: »Diese Schweine! Sie haben die Zwinger angezündet!«
    Für einen Augenblick verschlug es mir die Sprache. Ich wusste, dass die Hunde sein Ein und Alles waren. Dass er sie abgöttisch liebte.
    Als hätte Luna einen sechsten Sinn, jaulte sie und kam an meine Seite. Ich fasste in ihr glänzend schwarzes Fell und hielt mich daran fest.
    Jetzt bekam alles einen Sinn. Die Feuerwehrwagen. Die Aufregung unter Huberts Leuten. Es war kein Probealarm gewesen.
    »Sind sie ... ich meine, hat man die Hunde retten können?«
    Es war eine törichte Frage. Ich wusste es, bevor ich sie zu Ende formuliert hatte. Seiner Kehle entrang sich ein klagender Laut, der ebenso von einem seiner Hunde hätte stammen können. Ich konnte nicht verhindern, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten.
    »Tot!«, stieß er schließlich hervor.
    »Alle?«
    Sein Schweigen war Antwort genug.
    »Hör zu«, sagte ich schließlich, »in meinem Zustand bin ich dir keine große Hilfe. Aber ich biete dir an, bei mir zu übernachten. Was hältst du davon?«
    »Ich kann hier nicht weg«, sagte er schließlich. Diesmal klang er erstaunlich ruhig. »Es wird noch Stunden dauern, bis alles gelöscht ist.«
    Erst gegen Morgen muss ich eingeschlafen sein. Das Telefon klingelte mich wach. Die Wirklichkeit hatte mich wieder. Ich fluchte. Wenngleich auch die Träume nicht schön gewesen waren. Aber die Wirklichkeit war schlimmer.
    Zum Glück stand das Telefon gleich neben meinem Bett. »Moritz, wir haben eine fantastische Idee«, vernahm ich die Stimme der Gräfin. Irgendwie hatte ich heute nicht die Antenne für fantastische Ideen.

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