Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
Vom Netzwerk:
Infrastruktur. In den USA ist es genmanipulierter Mais, in Holland sind es genmanipulierte Tomaten – und hier bei Ihnen in Lippe, wo die Zuckerrübe beheimatet ist, sind es genmanipulierte Zuckerrüben, die SWK hier züchten will.«
    »Nicht mit uns!«, schrie ein zorniger Bauer dazwischen. »Mich vertreibt hier niemand!«
    »Unseren Politikerheinis gehört der Marsch geblasen!«, rief ein anderer. Applaus brandete auf, weitere Zwischenrufer machten ihrem Ärger Luft.
    Anscheinend brauchte es diese aggressive Grundstimmung, von der Frau Geier-Bauerfeindt erst so richtig angefeuert wurde. Gemeinsam mit den Landwirten skandierte sie jetzt: »Widerstand! Widerstand! Wi-der-stand!« Dazu reckte sie jedes Mal die Faust hoch. Die Bauern taten es ihr nach. Ich sah, wie der Vertreter des Landrats vorsichtshalber schon mal das Weite suchte.
    »Ich sehe, ich bin hier an der richtigen Stelle bei euch«, fuhr sie schließlich fort. Sie duzte das Publikum bereits. »Meine Warnungen fallen auf fruchtbaren Boden, und das ist gut so. Jetzt aber noch ein paar Fakten, damit ihr wisst, was auf euch zukommt: Entwickelt wurde das genmanipulierte Saatgut von der SWK gemeinsam mit dem englischen Gentechnikkonzern Montario. Ihr seht, diese Gangster arbeiten international. Sie verstecken ihre Verbrecherorganisationen hinter nichtssagenden Kürzeln und Namen. Jedenfalls hat Montario das Patent auf ein Resistenzgen, das den Wirkstoff Glyphosat enthält. Diese Resistenz gegen bestimmte Totalherbizide wurde dem Saatgut eingebaut. Schon seit Jahren beordern SWK und Montario eine ganze Armee von Lobbyisten an die Front, um dafür zu werben, in der EU genmanipulierte Zuckerrüben anzubauen. Und Deutschland ist das Haupt-Zielgebiet dieser Terroristen!«
    Jetzt brandete erstmals großer Applaus auf.
    »Eine Agitatorin, wie sie im Buche steht«, rief ich Hölderlin zu.
    »Solange es dem guten Zweck dient!« Er hatte sich zu mir heruntergebeugt und schrie mir ins Ohr.
    Ich nickte, war mir aber nicht so sicher. Die martialische Sprache der Geier-Bauerfeindt war nicht mein Ding. Dennoch bereute ich es nicht, hierhergekommen zu sein. Ich hatte nicht geahnt, wie die Stimmung sich in letzter Zeit unter den Bauern aufgeheizt hatte. In den Zeitungen hatte nichts darüber gestanden. Es war ein Thema, das wenig Öffentlichkeit fand. Dafür sorgten schon ein paar Politiker, die an den richtigen Strippen zogen.
    »Uns liegen geheime Dokumente vor, dass geplant ist, genmanipulierte Rüben an drei Standorten in Deutschland anzubauen: In Sachsen-Anhalt, in der Eifel und hier in Lippe. Diese Dokumente werden demnächst auf Wikileaks veröffentlicht, damit jeder im Bilde ist.«
    Armin war plötzlich an meiner Seite. »Ist sie nicht gut?«, grinste er.
    »Zu gut«, erwiderte ich vieldeutig. Ich gab ihm zu verstehen, er solle meinen Rollstuhl in eine ruhigere Ecke schieben, wo die Lautsprecher nicht so stark zu hören waren. »Wo kommt diese Frau eigentlich her?«
    »Aus Sachsen-Anhalt. Sie ist selbst betroffen.«
    »Wem nützt es, wenn sie hier die Bauern aufwiegelt? Müsste man das nicht anders angehen?«
    »Und wie? Hast du eine Ahnung, wie diese Firmen vorgehen und Druck machen? Wenn du mich fragst, dann stecken sie auch hinter Ludwigs Tod!«
    »Das wird die Polizei klären. Immerhin warst du so schlau und hast vorhin auf dem Podium den Mund gehalten.«
    Er funkelte mich wütend an. »Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
    »Auf keiner. Die Stimmung hier gefällt mir nicht. Ein Funke genügt, und die Zuhörer explodieren.«
    »Na und? Wir haben hier schon viel zu lange den Mund gehalten. Wovor hast du Angst? Wir leben nicht mehr im Mittelalter, keiner wird gelyncht, keiner auf dem Scheiterhaufen verbrannt ...«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    Er winkte ab und ging wieder weg. Ich hatte Armin selten so erlebt. Hatte er sich all die Jahre nur verstellt? Kehrte er jetzt jene Seite seiner Persönlichkeit hervor, die er seit der Flucht aus Berlin verborgen hatte?
    Ich rollte zurück zu Hölderlin. Mittlerweile klappte das ganz gut mit dem Rollstuhl. Die Leute behandelten mich wie einen Behinderten und machten bereitwillig Platz.
    Frau Geier-Bauerfeindt war soeben beim eher sachlichen Teil ihrer Rede angelangt:
    »Und darum dürft ihr niemals zulassen, dass auf eurem Boden auch nur eine einzige genmanipulierte Rübe angepflanzt wird: Zuckerrüben kreuzen über unglaublich weite Entfernungen aus – das muss ich euch nicht sagen! Jüngste Untersuchungen haben

Weitere Kostenlose Bücher