Blut und Rüben
ergeben, dass das schon mal zehn Kilometer betragen kann. Außerdem können sie sich mit anderen verwandten Arten wie Spinat oder rote Beete kreuzen.
Ein weiterer Grund: Zuckerrüben können langlebige Unkrautpopulationen bilden, gentechnisch veränderte Zuckerrüben belasten daher für einen viel längeren Zeitraum die Umwelt als andere Pflanzen.
Noch eins: Das Ackergift, gegen das die Genrüben resistent gemacht wurden, ist hochtoxisch, also giftig. Neueste Studien haben erhebliche Schädigungen bei Amphibien nachgewiesen, insbesondere toxische Effekte auf deren DNA und auf die Gebärmutterzellen. Wir müssen daher verhindern, dass die Anwendung dieses Pestizids durch den Anbau herbizidresistenter Genpflanzen weiter gefördert wird!
In England hat man in mehrjährigen Versuchen nachgewiesen, dass der Anbau herbizidresistenter Genrüben weit schädlichere Auswirkungen auf das Ökosystem und auf die biologische Vielfalt hat als der konventionelle Zuckerrüben-Anbau, bei dem tonnenweise Ackergift zum Einsatz kommt.
Der Anbau herbizidresistenter Genpflanzen führt, wie Beispiele in Kanada, USA oder Argentinien zeigen, zu einer beschleunigten Resistenzbildung von Ackerkräutern gegen die entsprechenden Herbizide. Resultat ist ein steigender Einsatz von Gift!«
Draußen fuhr ein Polizeiwagen vorbei. Ohne Sirene. Dafür überzog das rotierende Blaulicht die Fensterscheiben für ein paar Augenblicke mit einem gespenstischen Schimmer. Die meisten bekamen davon offenbar nichts mit.
Frau Geier-Bauerfeindt kam zum Schluss. »Daher sage ich euch: Aufgrund der speziellen Biologie der Zuckerrübe ist es hochriskant, gentechnisch damit zu manipulieren. Die Geister, die SWK und Montario da rufen wollen, werden noch Jahrzehnte später Fluch und Unheil über euch bringen. Der kommerzielle Anbau genmanipulierter Zuckerrüben wird euch ins Verderben führen, wenn ihr es nicht verhindert! Darum sagt Nein! Nein zur Genrübe! Ja zur lippischen Ananas! Danke schön!«
Der Applaus war ohrenbetäubend. Mittlerweile hatten sich die meisten Zuhörer bereits das eine oder andere Glas Detmolder gegönnt. Von draußen drang Sirenengeheul herein. Ein Feuerwehrwagen raste vorbei.
Plötzlich machte sich Unruhe unter den Leuten breit.
»Wenn es brennt, denkt jeder an seinen eigenen Hof«, sagte ich.
Hölderlin nickte. »Ist vielleicht nur ein Probealarm.«
Mindestens zwei weitere Wagen folgten.
»Wenn, dann richtig. Wahrscheinlich muss der ganze Fuhrpark mal bewegt werden.«
Innerhalb der Zuhörer bildete sich ein kleiner Pulk. Unter ihnen erkannte ich Hubert Wattenberg, dem die Tankstelle am Eingang des Ortes gehörte. Außerdem war er der Zugführer der Freiwilligen Feuerwehr. Ich sah, dass er wild gestikulierte, während er gleichzeitig sein Handy ans Ohr gepresst hielt. Sein Gesicht war puterrot. Das alles sah nicht nach einem Probealarm aus.
Ich erhob mich vorsichtig.
»Was haben Sie vor?«, schrie Hölderlin.
»Mit Wattenberg sprechen. Mal hören, was da los ist.« Ich stemmte mich aus dem Rollstuhl. Schwankend stand ich auf meinen eigenen Beinen.
In dem Moment erhielt ich einen Ellenbogenhieb in die Rippen. Ich sah Sterne. Aufschreiend klappte ich zusammen wie ein Messer. Hätte Hölderlin mich nicht aufgefangen, wäre ich zu Boden gestürzt. Vorsichtig setzte er mich zurück in den Rollstuhl.
Ich wusste nicht, wer mir den Stoß versetzt hatte. Auf jeden Fall musste es unabsichtlich passiert sein. Mittlerweile herrschte ein regelrechtes Chaos.
Doch auf all das konnte ich mich nicht konzentrieren. Ich hatte genug mit mir selbst zu tun. Aus dem stechenden war ein dumpfer Schmerz geworden.
»Wenn Sie Glück haben, sind die Rippen nicht wieder gebrochen«, erklärte Hölderlin süffisant. »Haben Sie Schmerzen?«
Ich nickte und biss die Zähne aufeinander.
»Wenn Sie morgen früh noch Schmerzen haben, kommen Sie zu mir ins Krankenhaus. Dann untersuche ich Sie noch einmal.« Wieder konnte ich nur nicken.
»Nach Hause?«
Nicken.
Er schob mich durch die aufgeregte Menge nach draußen. Trotz der Schmerzen bekam ich mit, dass Wattenberg und ein paar weitere Männer zu ihren Wagen stürmten. Es war nicht nur Neugier, warum ich am liebsten aufgestanden und ihnen hinterhergelaufen wäre.
Ich spürte das Unheil, ohne es genau fassen zu können.
Hölderlin schob mich zu seinem Wagen, hievte mich auf den Beifahrersitz. Abermals sah ich Sterne. Diesmal konnte ich ein Stöhnen nicht zurückhalten. Er packte den Rollstuhl in den
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