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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Es war ein gewisser Zug darin, der mir nicht gefiel. Sie hatte ein auffälliges Make-up aufgelegt, das ihr zusätzlich ein strenges Aussehen gab. Ich musste an Schneewittchen denken – weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz – aber an ein Schneewittchen mit Peitsche. Der altmodisch geschnittene anthrazitfarbene Hosenanzug verbarg ihre Figur.
    Als sie für einen Moment den Blick hob, reagierte ich einen Sekundenbruchteil zu langsam. Sie lächelte kühl, tat, als sei nichts geschehen, und beschäftigte sich wieder mit ihrem Frühstück.
    Ich war froh, dass in dem Moment die Bedienung kam. Ich bestellte das lippische Frühstück. In diesem Fall handelte es sich nicht um eine besonders sparsame Variante, sondern machte dem Lipper Hof alle Ehre. Wurst, Marmelade und die anderen Zutaten stammten ausschließlich aus Betrieben aus der Umgebung.
    Kaum war die Bedienung abgezogen, schaute der Mann ebenfalls herüber. Offensichtlich hatte ihm seine Begleiterin signalisiert, dass ich sie beobachtete. Unwillkürlich spannte ich die Muskeln an, als er sich erhob und lässig zu mir herübergestiefelt kam.
    »Warum so schüchtern?«, fragte er. »Setzen Sie sich doch zu uns – Herr Morgenstern.«
    Ich war nicht wirklich überrascht, dass er meinen Namen kannte. Damit hatte ich rechnen müssen. Ich seufzte, aber ich stand auf und tat ihm den Gefallen.
    »Mein Name ist Stahl, Victor Stahl«, stellte er sich vor. »Das ist meine, äh, Kollegin, Frau Leisenscheidt.«
    Sie nickte mir zu, gab mir aber nicht die Hand. Ich nahm Platz.
    »Und? Was hat Sie hierher geführt?«, fragte Stahl, während Frau Leisenscheidt schwieg und sich darauf beschränkte, mit ihren etwas zu kurzen Fingern das Croissant an ihre rot geschminkten Lippen zu führen.
    »Die Aussicht auf ein anregendes Frühstück«, antwortete ich zweideutig.
    »Nicht nur das Frühstück ist hier zu empfehlen.«
    »Ich weiß, ich kenne den Chefkoch.«
    »Sie kennen sehr viele Leute, Herr Morgenstern. Das ist uns bereits aufgefallen. Ob Sie es glauben oder nicht: Früher oder später hätten wir uns auch mit Ihnen beschäftigt. So ersparen wir uns einen Weg.««Es freut mich, dass ich Ihnen behilflich sein kann.«
    Er schlürfte seinen Kaffee und seufzte: »Warum sind Sie so sarkastisch?«
    »Wundert Sie das?«
    »Nein, ehrlich gesagt nicht. Wir haben uns natürlich Ihren Lebenslauf besorgt. Sie waren fast Ihr ganzes Leben lang Reporter, standen immer mit einem Bein in der Grauzone. Bei einigen ihrer Fälle sind Sie mit diversen amtlichen Organisationen aneinandergeraten: LKA, BKA ...«
    »BND, Verfassungsschutz«, fuhr ich fort. »Aber ich kann Ihnen versichern: Das ist seit einigen Jahren vorbei. Ich habe mich zur Ruhe gesetzt.«
    »Wovon leben Sie?«
    »Ersparnisse.«
    »In den Akten ist ein Fall verzeichnet, der mich sehr interessiert: Sie haben im Auftrag einer verarmten jüdischen Dame nach verschwundenen Gemälden recherchiert, die der Familie in den Wirren des letzten Krieges abhandengekommen waren. Sie haben einige der Gemälde ausfindig gemacht.«
    »Ja, sie hingen im Bundeskanzleramt. So ein Zufall, nicht wahr?«
    »In der Tat: wie im Märchen. Die arme alte Dame war plötzlich reich, und Sie dürften sicherlich daran partizipiert haben. Leider gibt es da keine Beweise.«
    »Leider?« Ich grinste. Jetzt hatte er sich verraten. »Aber um die Sache richtigzustellen: Frau Weizmann hat mich natürlich bezahlt. Leider war Vater Staat nachtragend, weil er der Bilder verlustig gegangen war, also setzte man einige besonders scharfe Finanzprüfer auf mich an. Man warf mir vor, weit mehr von Frau Weizmann erhalten zu haben als angegeben. Ich darf Ihre Unterlagen insofern ergänzen, dass nichts festgestellt wurde.«
    »Es gab noch einige weitere solcher Unklarheiten.«
    »Wenn Sie einmal in der Mühle drinhängen, kommen Sie so schnell nicht wieder heraus. Sie müssten doch selbst viel besser wissen, mit welchen schmutzigen Methoden Ihresgleichen arbeitet.«
    »Sie lehnen sich sehr weit aus dem Fenster.« Sein Gesicht verfinsterte sich.
    Frau Leisenscheidt schaltete sich ein, indem sie beruhigend ihre Hand auf seinen Arm legte. »Lass ihn, Victor, er weiß nicht, was er redet. Auch scheint er völlig ahnungslos zu sein, was auf ihn zukommen könnte.« Sie lächelte.
    »Ihr Name spukt von Anfang an durch diesen Fall«, sagte Stahl. »Was hatten Sie am Morgen, an dem unsere Kollegen von der Polizei oben auf der Falkenburg den Kopf fanden, dort zu suchen gehabt? Okay,

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