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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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kamen sie voran, weil immer mehr abgetragene Steine im Stollen verteilt werden mussten. Bald waren Jan, Christian und Claus nur noch damit beschäftigt, während sich Markus und Herrmann nach vorn durcharbeiteten.
    Der Hauptmann versank erneut in Grübeleien, die Änne betrafen.
    Die halbe Nacht hatte er schon darüber nachgedacht, was sie dazu getrieben haben mochte, ihn so weit zu bringen, dass er sie gleich im Stall nahm. Auch wenn ihn in manchen Momenten die Eifersucht auf Marsilius fast wahnsinnig machte, so glaubte er einfach nicht, dass der Arzt in ihr die Leidenschaft einer Frau erweckt haben könnte.
    Vielleicht ist es auch nur mein Wunsch, dass sie ihm im Bett gehorsames Eheweib ist und nicht das leidenschaftliche Wesen, als das sie mich eben überraschte?, dachte er voller Selbstzweifel.
    Doch von ihrem kurzen, leidenschaftlichen Liebesakt hatte er auch den Moment in Erinnerung, als sie voller Überraschung aufgestöhnt hatte. Und ihr fassungsloser Blick danach bestärkte ihn in der Vermutung, dass sie bei ihm zum ersten Mal wahres Liebesglück kennengelernt hatte.
    Dankbar für ihre Zuneigung und betroffen von ihrem Kummer, fühlte er sich doppelt aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Ännes Schreckensvision unerfüllt blieb.
     
    Herrmanns Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Durchschlag!«, rief der Ältere erleichtert. »Das muss der Gang sein!«
    Markus griff nach einem Kienspan und beleuchtete die Wand vor sich näher. Tatsächlich – eine winzige Öffnung verriet, dass sie schneller als gedacht den ersten Teil ihres Vorhabens bewältigt hatten. Im nächsten Augenblick ließ der Luftzug die Flamme aufflackern und erlöschen.
    Er entzündete den Kienspan wieder, steckte ihn fest und begann ebenso wie Herrmann, mit beiden Händen das lose Gestein beiseitezuschaufeln.
    Die anderen hatten den Ausruf gehört und zwängten sich durch den engen Stollen, um zu helfen. Bald war vor ihnen ein Loch, etwa so groß, dass ein Mann hindurchschlüpfen konnte.
    »Es gibt ihn wirklich!«, rief Christian fassungslos. »Seine Freunde haben ihn gegraben, um Ritter Christian zu befreien.«
    Selbst im Dunkel war nicht zu übersehen, wie ergriffen der Junge angesichts des Schicksals seines Namenspatrons war, von dessen Leben und Tod dieser unbenutzte Fluchtweg noch nach mehr als hundert Jahren Zeugnis ablegte.
    Herrmann bekam einen erneuten Hustenkrampf und trank dankbar einen Schluck aus der Kanne, die Jan ihm reichte.
    Ohne um Erlaubnis zu fragen, schnappte sich Christian den Kienspan, zwängte sich durch das Loch und lief los, so schnell es in der Enge ging.
    »Pass auf! Kann sein, da ist lockeres Gestein!«, rief Markus besorgt und leuchtete dem Burschen mit dem rußenden Unschlittlicht. Obwohl der Fluchttunnel in ziemlicher Eile gegraben worden sein musste, konnte er ein paar Grubenstöcke erkennen, die den Stollen abstützten. Auf das Können der Freiberger Bergleute ist Verlass, dachte er beruhigt.
    Schon näherte sich das Licht wieder. »Weiter hinten ist eine Stelle, die wir verbreitern müssen«, verkündete Christian, während er sich durch die Öffnung zwängte.
    »Legen wir erst einmal den Durchlass richtig frei«, entschied Markus.
    Herrmann warf einen Blick in den schmalen Tunnel vor ihnen. Im schwachen Schein der Flamme konnte Markus sehen, dass sein Gesicht schweißüberströmt war; er atmete flach und rasselnd.
    »Ich schaffe das nicht, Hauptmann«, gestand der Ältere ein. »Ich halte es hier schon kaum aus, obwohl wir noch stehen können. Aber durch diesen schmalen Stollen dort vorn – es tut mir leid …«
    »Setz dich erst einmal hin und trink etwas«, beruhigte Markus ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Wenn wir vorn weiterräumen und vielleicht sogar abstützen müssen, damit der Stollen nicht einbricht, brauchen wir sowieso einen erfahrenen Häuer oder Bergzimmerer.«
    »Ich gehe zum Bergmeister und bitte um Hilfe«, erklärte Herrmann. »So bin ich wenigstens noch zu etwas nutze. Und keiner von euch muss sich zusätzlich in Gefahr bringen.«
    Markus überlegte. Angesichts des weit heruntergebrannten Talglichts musste die Schicht der Bergleute bald zu Ende sein.
    »Gut. Wir suchen uns einen Platz für das Nachtlager.«
    Auf dem Weg zur Grube war ihm aufgefallen, wie ängstlich Claus gewirkt hatte. Auch deshalb fuhren sie wohl besser nicht wieder aus. Das minderte das Risiko, entdeckt zu werden. »Du, Herrmann, gehst zurück, wartest, bis die Bergleute die Gruben verlassen, und

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