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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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Schneegestöber hatte aufgehört, auf die verschneite Landschaft schien die Sonne herab und brachte Eiskristalle zum Funkeln.
    Doch niemand hatte Augen für diese Pracht.
    Die Nachricht vom anrückenden Heer des Königs hatte die Freiberger aufgescheucht und sorgte schon am frühen Morgen für hektische Geschäftigkeit.
    Die meisten von ihnen hatten bis zu diesem Tag die Möglichkeit weit von sich gewiesen, der König könne ihre Stadt angreifen, und abgesehen davon unerschütterlich auf den Schutz der starken Mauern vertraut. Schließlich hatte noch niemand ihre reiche, wehrhafte Stadt eingenommen. Doch nun richteten sich selbst diejenigen auf eine lange Belagerung ein, die nicht daran geglaubt hatten. An den Marktständen gab es Gedränge wie sonst nur bei dem großen Jahrmarkt einen Tag nach Jacobi. Jeder versuchte, sich mit so viel Vorrat einzudecken, wie er zu bekommen vermochte, Männer vernagelten Fensteröffnungen und füllten lederne Eimer mit Wasser zum Löschen für den Fall, dass Brandpfeile ihr Haus oder das des Nachbarn in Flammen setzten.
    An den westlich gelegenen Stadttoren waren Bauleute dabei, die hölzernen Pforten mit schon bereitliegenden schweren Steinen zu sichern, die sie zu einer dicken Mauer aufschichteten. Das Peterstor, auf das das feindliche Heer zuerst zumarschieren würde, war bereits mit einer drei Ellen breiten Schicht aus übereinandergesetzten Steinen verschlossen – schwere Platten aus Gneis, aus dem auch die Stadtmauer selbst bestand.
    Während die Glocken läuteten, brannten in den Gotteshäusern so viele Kerzen wie nie zuvor, gestiftet von Bürgern, die den Allmächtigen um Rettung vor dem gefürchteten Heer des Königs baten.
    In den Kirchen und in der Burgkapelle standen die Menschen Schlange, um ihre Sünden zu beichten und vergeben zu lassen, bevor es vielleicht zu spät dafür war.
     
    Ulrich konnte sich in dem Gedränge nur mit Mühe den Weg ins Rathaus bahnen. Doch für die paar Schritte von der Burg zum Oberen Markt hätte es nicht gelohnt, ein Pferd satteln und warm laufen zu lassen.
    Wenn ihm sonst jedes Mal angesichts seiner Kleidung und seines Schwertes respektvoll Platz gemacht wurde, so schienen ihn diesmal die meisten Leute in ihrer hektischen Geschäftigkeit kaum wahrzunehmen. Überall sah er Menschen rennen, Dinge hin und her schleppen. Frauen schrien hysterisch nach ihren Kindern, umarmten weinend ihre Männer oder Brüder, die zum Wachdienst eingeteilt worden waren, als müssten sie sich jetzt schon für immer von ihnen verabschieden.
    Vielleicht war es tatsächlich ein Abschied für immer. Wenn das Heer des Königs sofort angriff, würden die Freiberger noch vor dem Ende dieses Tages die ersten Toten zu beklagen haben.
    Ein paar Gassenjungen versuchten, das Durcheinander für Streiche oder kleine Diebstähle auszunutzen.
    Ulrich packte solch einen zerlumpten, dreckverschmierten mageren Burschen am Ohr, der einer schnaufenden dicken Bürgersfrau heimlich einen gefrorenen Haufen Hundekot in den Korb schmuggeln wollte. Unter dem harten Griff und dem strengen Blick des Burgkommandanten erlosch das hämische Grinsen des Jungen, der vielleicht zehn Jahre zählen mochte und feuerrote Haare hatte.
    Schicksalsergeben ließ er das unappetitliche Fundstück in den von unzähligen Fußstapfen schmutzig gewordenen Schnee fallen.
    »Hast du nichts Besseres im Sinn?«, herrschte Ulrich ihn an. »Jede Hand wird gebraucht, also verschwinde zu deinen Eltern und mach dich nützlich!«
    »Hab keine«, murmelte der Junge und setzte eine zerknirschte Miene auf.
    Nun erst bemerkte der Ritter, dass die magere Gestalt vor ihm einen Klumpfuß hatte. Vielleicht war der Junge deshalb ausgesetzt oder aus dem Haus gejagt worden.
    »Melde dich auf der Burg! Sag, ich hätte dich geschickt. Die Wachen sollen dir Arbeit in der Küche oder in den Ställen zuweisen. Dafür bekommst du ein Frühstück.«
    »Ja, Herr«, erwiderte der Bursche, während seine Miene blitzschnell von Erleichterung angesichts ausfallender Strafe zu Begeisterung über die versprochene Mahlzeit wechselte.
    »Wie heißt du?«, fragte Ulrich den mageren Jungen, bevor er ihn losließ.
    »Hab keinen Namen«, erwiderte der zu Ulrichs Verblüffung. Schon lief er los Richtung Burg, wobei er trotz seines verkrüppelten Fußes erstaunlich schnell war.
    Vom Oberen Markt aus sah Ulrich, wie die Bergleute und die Juden schwerbeladen durch das Erlwinsche Tor strömten. Bald würde wohl kaum noch jemand durch die überfüllten
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