Blut und Silber
Anspannung löste sich erst bei seinem zweiten Satz.
»Albrecht von Habsburg wurde zum neuen König gewählt!« Dankbar nahm Haubitz den Becher entgegen, den ihm jemand reichte, und trank ihn mit einem Zug leer.
»Was ist geschehen?«, bedrängte Friedrich seinen bewährten Kämpfer, noch nicht bereit, sofort allen Hoffnungen freien Lauf zu lassen.
»Die Fürsten haben Adolf von Nassau abgewählt.«
»Und er hat einfach so auf den Thron verzichtet?« Diezmann machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Skepsis zu verbergen.
»Nein, er ist gefallen, einige Tage später, im Kampf gegen den Habsburger«, brachte Niklas heraus. »In Göllheim, westlich von Worms, ist er in der Schlacht so schwer verwundet worden, dass er wenig später starb. Ich war dabei.«
»Habt Ihr seinen Leichnam gesehen?«
»Ja. Es ist unumstößlich. Adolf von Nassau ist tot.«
»Das erleichtert die Dinge«, schätzte Diezmann die Lage zynisch ein. »Die rechtliche Begründung seiner Abwahl ist doch mehr als fragwürdig, wenn den Fürsten nichts Besseres eingefallen sein sollte als unterlassener Schutz für Witwen und Waisen.«
»Sei’s drum! Trinken wir auf den neuen König!« Friedrich erhob sich, den Becher in der Hand.
In rascher Folge standen alle von ihren Plätzen auf. Diejenigen an den Tischen, die Niklas’ Ankunft beobachtet hatten und wussten, wo er die letzten Monate gewesen war, brachten die noch Lärmenden zur Ruhe. Für einen Moment herrschte beinahe vollkommene Stille in der Halle – bis Friedrich die Nachricht von der Wahl eines neuen Königs bekanntgab.
Der Jubel brachte die Halle fast zum Wanken. Der Kaplan brauchte mehrere Anläufe und letztlich ein Machtwort Friedrichs, bis hinreichend Ruhe eintrat, damit er ein Totengebet für den Gefallenen und einen Segensspruch für König Albrecht von Habsburg ausbringen konnte. Ulrich konnte in diesem Moment an nichts anderes mehr denken als an Sibyllas Versprechen in Prag, als er sie gefunden und gleich darauf wieder verloren hatte.
»Ich komme, wenn ihr Freiberg erobert«, hatte sie gesagt. Welche Stadt würden sie nun als erste einnehmen – Freiberg oder Meißen? Mit einem Mal überkam ihn der dringende, unaufschiebbare Wunsch, Sibylla bei sich zu spüren, ihren weichen Körper an sich zu pressen, zu spüren und ganz tief in sie zu stoßen. Und er wollte sie lächeln sehen, mit seinen Fingern durch ihre schwarzen Locken streichen, ihren Duft einatmen, ihre Stimme hören. Lächelnd prostete er Markus zu, der an einem der entfernteren Tische saß und ziemlich angespannt wirkte. Ulrich hatte keinen Zweifel, dass die Gedanken des Freibergers gerade zu Änne flogen.
Hoffentlich lebt die junge Frau überhaupt noch, dachte er besorgt. Er wusste wenig über Schwangerschaft und Niederkunft, das war Weiberkram. Aber wenn sie schon so lange vor der Entbindung krank darniederlag, schien ihm die Aussicht gering, dass diese Schwangerschaft zu einem guten Ausgang für Mutter und Kind führte. Wie würde es der Gefährte aufnehmen, wenn er endlich wieder nach Freiberg kam und erfahren musste, dass seine Liebste und sein Kind längst begraben und betrauert waren? Doch würde es ihn fröhlicher stimmen, die beiden mit dem alten Conrad Marsilius in einer glücklichen Familie vereint zu sehen?
Ulrich war gerade bei diesem Gedanken angelangt, als er Friedrich rufen hörte: »Morgen halten wir Einzug in Meißen!«
Also Meißen, dachte Maltitz enttäuscht, während um ihn herum jubelnder Tumult ausbrach. Dabei hatte diese Entscheidung auf der Hand gelegen. Wie schnell wird es wohl gehen, bis wir uns Freiberg zurückholen? Drei Tage? Eine Woche? Fast zweieinhalb Jahre war es her, dass er – wund an Leib und Seele – die blutig eingenommene Stadt hatte verlassen müssen. Nun malte er sich den Einzug in lebhaftesten Farben aus. Und wenn er auch wusste, dass seine Liebste sicher nicht so schnell von den Veränderungen erfahren würde – in allen seinen Traumbildern stand sie da, lächelte und streckte ihm einladend die nackten Arme entgegen.
Friedrich wurde von seinen Gefühlen fast überwältigt, als er Meißen vor sich erblickte. Weithin ragte der Burgberg ins Land. Von der Anhöhe aus, über die er sich mit seiner kleinen Streitmacht näherte, sah er das breite Band der Elbe, die träge dahinfloss und in deren Fluten sich die Türme des Domes spiegelten. Heute endlich würde er an den Platz zurückkehren, der ihm gebührte.
Wie überall auf seinem Triumphzug der letzten Wochen
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