Blut und Silber
Stille auf dem Burghof. Sämtliche Blicke waren auf die rote Lache gerichtet, die immer größer wurde, bis alles Blut aus dem enthaupteten Körper geflossen war. Während Markus immer noch keuchend dastand, räusperte sich Heinrich von Nassau, trat einen Schritt vor und legte sein Schwert in seine offenen Hände.
»Friedrich von Wettin, Markgraf Diezmann. Ich begebe mich in Euern Gewahrsam.« Auf ein Zeichen seines Lehnsherrn nahm Ulrich das Schwert des königlichen Vetters entgegen und geleitete ihn in eine Kammer, vor der zwei Wachen postiert wurden. Kaum war der entmachtete Statthalter fortgeführt, brachen Friedrichs Männer in Jubel aus. Auch der einstige Markgraf hatte Mühe, seiner Gefühle Herr zu werden. Lachend legte ihm sein Bruder den Arm auf die Schulter.
»Du wirst eine Siegesrede halten müssen«, meinte Diezmann gutgelaunt. Friedrich sah sich um und stieg auf den Brunnenrand. Wieder erscholl Jubel, wurden Hochrufe auf die beiden wettinischen Fürsten ausgebracht.
»Der heutige Tag zeigt ohne jeden Zweifel: Gott steht auf unserer Seite!«, rief er unter dem Beifall der Männer. »Der Allmächtige wird uns auch weiter beistehen, damit endlich wieder Frieden und Gerechtigkeit in diesem Land einziehen.« Er wartete, bis der Tumult etwas nachließ, und sah auf die vielen frohen Gesichter vor sich.
»Meine Getreuen! Für die Siegesfeier müssen wir uns bis morgen gedulden. Noch sind zu viele Gefangene hier, die bewacht werden müssen, bis sie sich uns anschließen oder von dannen ziehen. Doch heute schon soll Bier ausgeschenkt und ein Schwein auf den Bratspieß gesteckt werden!«
Markus hatte einige Zeit gebraucht, bis sich die Starre löste, mit der er auf den Leichnam seines verhassten Feindes sah. Doch er bekam kaum Gelegenheit, zur Besinnung zu kommen. Seine alten Kampfgefährten stürzten auf ihn zu, umarmten ihn, klopften ihm auf die Schulter und fragten ihn Löcher in den Bauch, was inzwischen in Freiberg geschehen sei. Wie er nun erst feststellen musste, war seine kühne Aktion zur Rettung der Freiberger Geiseln auch auf Burg Rochlitz beinahe schon Legende geworden. So ließ er sich von den anderen in die Halle ziehen, Bier einschenken und stieß mit ihnen an – froh über jeden, der die blutigen letzten zwei Jahre überlebt hatte. Doch irgendwann überkam ihn das dringende Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Weil nirgendwo in der Halle ein halbwegs ruhiger Platz zu finden war, ging er in die Stallungen, setzte sich auf einen Strohballen und versuchte, sich über einige Dinge klarzuwerden.
Sein Handgelenk schmerzte nach dem wuchtigen Hieb, der Bruch war noch nicht so gut verheilt wie erhofft. Er hätte nicht sagen können, wie viel Zeit verstrichen war, als sich Schritte näherten und jemand sich neben ihm niederließ.
»Ich sollte zur Beichte gehen. Ich habe getötet«, sagte er zu Ulrich von Maltitz. »Doch hier ist nirgends ein Kaplan aufzutreiben.«
»Das wirst du auf morgen verschieben müssen, wenn das Gitter wieder hochgezogen wird«, versuchte der Ritter ihn zu beschwichtigen.
»Es ist nicht gerade ehrenvoll, jemanden zu erschlagen, der schon am Boden liegt.«
»Du hattest das Recht dazu. Es war ein Gottesurteil, und er wäre ohnehin auf der Stelle hingerichtet worden. Er hat diesen Tod mehr als verdient. Denk an die sechzig! So wurde ihnen Gerechtigkeit zuteil.«
Ulrich stand auf und forderte Markus mit einer Geste auf, ihn in die Halle zu begleiten. »Du solltest nicht zu viel darüber nachgrübeln.«
Am nächsten Morgen schlossen sich mehr als die Hälfte der gefangenen Soldaten dem wettinischen Heer an. Ihnen war es gleichgültig, wem sie folgten, wenn nur der Sold pünktlich gezahlt wurde. Und den erhielten sie sofort auf die Hand – dank der großzügigen Spende der Freiberger Schmelzmeister und Grubeneigner. Den Übrigen und den Rittern, die dem König einen Eid geschworen hatten, gewährte Friedrich freien Abzug. Dies war ein Punkt, über den er und sein Bruder unterschiedlicher Meinung waren.
»So viel Großzügigkeit können wir uns derzeit kaum leisten«, beanstandete Diezmann, als sie allein waren. »Wir sollten sie töten.«
»Wir wollen das Recht wiederherstellen, das können wir nicht mit solch großem Unrecht beginnen.« Friedrichs Stimme klang so entschlossen, dass der Jüngere von dem heiklen Thema abließ.
»Und was machen wir mit dem königlichen Vetter? Willst du den auch laufenlassen?« Heinrich von Nassau hatte unter Zusicherung seiner
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