Blut und Silber
eine Entzündung ist. Dieser Wundarzt – ich lasse ihn hängen, sollte er sich mir jemals wieder vor meine Augen wagen! – hatte verschiedene Mixturen. Aber es hätte schlimmer kommen können. Vielleicht wird er sogar wieder richtig laufen können, wenn alles gut verheilt.«
Friedrich schloss für einen Moment die Augen. Er wollte nicht zu Ende denken, dass sein Sohn vielleicht eine bleibende Verletzung davongetragen hatte.
»Du solltest jetzt nach Frau und Tochter sehen«, mahnte Elisabeth, auch wenn sie sich dazu überwinden musste. »Ich wache bei deinem Sohn und lasse dich rufen, sobald er wieder zu sich kommt.«
Friedrich zögerte.
»Wie hat sie sich gehalten?«, fragte er seine Schwiegermutter. Als er sah, dass Elisabeth ihre Worte sorgfältig abwägen wollte, forderte er: »Ich will die Wahrheit!«
»Niemand ist anfälliger für Furcht als eine Mutter mit einem Säugling. Das darfst du ihr nicht vorwerfen«, antwortete Elisabeth mit Bedacht. »Sie fürchtet um dein Kind, nicht um sich selbst.«
»Früher oder später wird der König den Eisenachern Truppen als Verstärkung schicken und die Wartburg erneut belagern«, erklärte Friedrich leise. »Bevor es so weit kommt, lasse ich sie und das Kind fortbringen, nach Reinhardsbrunn. Im Kloster wird sie Schutz und Frieden finden. Kann ich dich hier dem Schutz Goldackers anvertrauen?«
Die Landgräfin lächelte kaum erkennbar. »Ich fürchte nicht, was kommen mag, und ich fürchte auch diesen Marschall nicht so wie deine Frau. Er ist ein zuverlässiger Mann und wird tun, was nötig ist.«
Zurück zur Frauenburg
A ls Christian eine Hofdame aufgeregt über den Burghof irren sah, lief er ihr entgegen. Es war dieses hochnäsige schwarzhaarige Ding, das er vor Jahren auf dem Hoftag in Nürnberg zum ersten Mal gesehen hatte. Damals war sie in Begleitung der Landgräfin von Thüringen gekommen, die unaufgefordert in die Kammer Fürst Friedrichs stürmte, nachdem jener hatte erfahren müssen, dass Albrecht von Habsburg die Mark Meißen König Wenzel von Böhmen überließ. Das kleine Edelfräulein hatte auf ihn, den Straßenjungen mit dem verkrüppelten Fuß, verächtlich herabgesehen, während sie gemeinsam vor der Kammer warten mussten. Jetzt war er ein tapferer Soldat, dem die Mädchen nur so nachliefen, während sie mit einem Höfling verheiratet worden war, der kaum noch einen Zahn im Mund hatte und für seine ständig schlechte Laune berüchtigt war. Und Wenzel von Böhmen war tot, genau wie sein Sohn. So ändern sich die Zeiten, dachte Christian wie so oft, wenn er sie sah.
Doch jetzt war nicht der Moment für Gehässigkeit. Falls ihr aufgetragen war, was er vermutete, kam das seinen Absichten entgegen. Denn langsam begann er sich Sorgen zu machen. Markus und Sibylla müssten längst hier sein.
Die Schnippische nahm sein wortloses Angebot an und blieb vor ihm stehen.
»Weißt du, wo der Ritter von Maltitz und die Gauklerin sind?«, fragte sie mit ihrer üblichen Hochnäsigkeit. »Meine Herrin und Fürst Friedrich suchen nach ihnen.«
»Sie müssen noch unten in der Frauenburg sein«, gab Christian Auskunft, ohne sich etwas von seiner Unruhe anmerken zu lassen, aber auch ohne sein typisches freches Grinsen. »Wenn Ihr wünscht, reite ich los und hole sie.«
»Ja, tu das«, meinte sie erleichtert und gönnte ihm sogar einen herablassenden Blick. »Sie werden dringend hier gebraucht. Der Sohn des Fürsten ist verwundet. Am Fuß«, fügte sie hinzu, als sie den erschrockenen Blick des jungen Mannes sah. Normalerweise hätte sie kein Wort mehr als nötig an jemanden wie ihn verschwendet. Aber so konnte sie die Angelegenheit wohl noch dringender machen und beweisen, dass sie mehr wusste als er.
Sofort lief Christian zum Stall und ließ sich von dem blonden Knecht, den er gerade erst vor einer Bestrafung gerettet hatte, sein Pferd wieder satteln. Dann hielt er Ausschau nach Albrecht von Sättelstedt. Der Hüne war kaum zu übersehen, er stand bei der Zisterne und scherzte mit einer der jungen Mägde, die ihn bewundernd anstarrten.
Christian bat ihn um Erlaubnis, loszureiten.
»Ich komme mit«, entschied der Ritter nach kurzem Zögern. »Die anderen müssten wirklich allmählich hier sein.« Rasch rief er noch ein paar Männer zusammen.
Mittlerweile war die Sonne aufgegangen. Doch der Nebel im Tal schränkte immer noch die Sicht ein. Während Christian sein Pferd den gewundenen Pfad hinablenkte, wanderten seine Gedanken zurück zur nächtlichen
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