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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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aber zu unseren Gunsten endeten.«
    Nun wandte sich Markus den sechs jungen Begleitern des Kahlen zu. Auf den ersten Blick erkannte er keinen von ihnen, aber das war kein Wunder: Als er fortmusste aus Freiberg, konnten diese hier nicht älter als fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Die Züge des einen kamen ihm vertraut vor.
    Und als der ihn angrinste, hatte er keinen Zweifel mehr.
    »Paul! Bist du von zu Hause ausgerissen, oder weiß dein Vater, dass du hier bist?«, fragte er den Nachbarsjungen, hin- und hergerissen über dieses unverhoffte Wiedersehen.
    »Er weiß es und hat mir seinen Segen gegeben«, versicherte Paul ernsthaft. Dann hob er seine rechte Hand. »Ich werde dir nie vergessen, was du gewagt und auf dich genommen hast, um mir die Hand zu retten«, sagte er. »Deshalb wollte ich hierher.«
    Auch ein zweites Gesicht kam Markus vage bekannt vor. »Bist du ein Sohn des Waffenschmieds?«
    »Sein Neffe«, stieß der Junge zornig hervor, und Markus vermutete, dass er gleich den Grund für diesen Zorn erfahren würde.
    »Hör zu, es gibt schlechte Neuigkeiten aus Freiberg«, begann Otto. »Übrigens, wir haben Änne mitgebracht.«
    »Änne?!« Markus glaubte, sich verhört zu haben.
    Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf – und vor allem eine Frage.
    »Ja«, bestätigte Otto. Sein faltenzerfurchtes Gesicht verdüsterte sich, bevor er in knappen Worten von dem Halsgericht in Freiberg zu erzählen begann.
    »Meldet euch bei Maltitz«, sagte Markus, kaum dass der einarmige Kämpe zu Ende berichtet hatte. Er ließ ihn stehen und bahnte sich mit langen Schritten den Weg durch die Menschenmenge zu dem Gebäude, in dem der Feldscher Verwundete behandelte.
    »Ich suche eine Frau namens Änne, Änne von Freiberg«, rief Markus. Der junge, übermüdete Feldscher sah kaum auf.
    »Wer soll das sein?«, knurrte er, während er einen Verband festknotete. »Sieh dich doch um, es wimmelt hier von Hilfsbedürftigen.«
    »Sie ist nicht verletzt, hoffe ich zumindest. Sie ist heute erst angekommen und soll hier helfen …«
    »So ein schmales Ding? Die ist gerade rausgegangen, um Wasser zu holen.«
    Sofort stürzte Markus wieder hinaus und blickte sich suchend um. Menschen um ihn herum drängten, schubsten und lärmten. Er trat einen Schritt beiseite, um einen Mann einzulassen, der eine bewusstlose Frau auf den Armen hielt.
    Und dann entdeckte er sie. Schwer beladen mit zwei Eimern Wasser war Änne auf dem Weg zum Lazarett. Von weitem wirkte es, als hätte sie sich überhaupt nicht verändert – immer noch zierlich und mädchenhaft, aber viel schlichter gekleidet als damals bei Conrad Marsilius, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Sie trug ein einfaches Kleid, statt der fein gefältelten Haube hatte sie wie eine Bäuerin oder Magd ein graues Leinentuch um den Kopf geknotet – fast wie zu jener Zeit, als sie noch Jenzins Mündel gewesen war. Nur ihr Gesicht schien ihm noch schmaler geworden zu sein. Und an ihrem Hals konnte er verblassende Würgemale erkennen.
    Plötzlich zuckte sie zusammen, blieb stehen, setzte die Eimer ab und blickte suchend um sich – bis sie ihn sah und erstarrte. Mit ein paar Schritten war Markus bei ihr und sah ihre grünen Augen fassungslos auf sich gerichtet.
    »Änne!«
    Freudestrahlend umfasste er ihre Schultern, um sie von oben bis unten anzuschauen. Gar nicht sattsehen konnte er sich an ihr. Ihr Gesicht leuchtete auf, er spürte ihren Impuls, ihm um den Hals zu fallen. Doch dann erlosch das Leuchten, sie rührte sich nicht und sah zu Boden.
    Markus erriet, was in ihr vorging, und wollte gar nicht erst Verlegenheit oder Wortlosigkeit zwischen ihnen aufkommen lassen. Also nahm er einfach ihren Kopf in seine Hände und küsste sie vor aller Augen. Dann zog er sie an sich und strich mit seinen Händen stark und beruhigend über ihren Rücken.
    »So lange habe ich auf dich warten müssen!«
    Ihre ersten Worte waren leise, kaum zu hören. »Und ich habe mich so nach dir gesehnt!«
    Bewegt griff er wieder nach ihren Schultern, um ihr ins Gesicht sehen zu können, ohne sie loszulassen. »Erzähl mir von unserem Sohn! Es ist doch ein Junge, nicht wahr? Lebt er?«
    »Ja«, antwortete sie, lachend und weinend zugleich, während sie sich die Tränen aus den Augen wischte. »Er ist schon richtig groß geworden und sehr klug … Er hat deine Augen, und sein Haar hat fast das gleiche Braun wie deines … Stell dir vor, er lernt Lesen und Schreiben …«
    »Du hast ihn ins Kloster

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