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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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sich seinen Leuten in dem Getöse verständlich zu machen. Rücksichtslos bahnte er sich und den anderen den Weg.
    Je näher sie der gewaltigen Zwingburg kamen, umso mehr Bewaffnete strömten ihnen entgegen. Doch es waren nur wenige Ritter unter ihnen. Will Friedrich mit einem Heer von Bauern in den Krieg ziehen?, dachte Änne bestürzt. Als sie den mit Bewaffneten dicht gefüllten Burghof betraten, glaubte sich Änne in den Tag zurückversetzt, als sie einst auf dem Hof von Freiheitsstein gestanden hatte, um auf Befehl Ulrichs von Maltitz dem Feldscher zu helfen. Jetzt fühlte sie sich genau so fremd in all dem Gewimmel, doch nicht mehr so hilflos.
    »Geh dort hinein!« Otto wies auf ein schmales Gebäude links von ihnen. »Dort kümmert man sich um Verletzte. Ich schätze, sie werden froh sein über jede Hand, die hilft. Wir suchen inzwischen nach unserem Hauptmann.«
    Markus! Mit klopfendem Herzen hatte Änne längst heimlich Ausschau nach ihm gehalten. Aber jemanden in diesem Gewimmel zu finden, schien unmöglich. Von Otto wusste sie, dass Markus zusammen mit Ulrich von Maltitz an Friedrichs Seite gekämpft hatte und nun hier in Leipzig war. Mehr hatte sie nicht zu fragen gewagt.
    Wahrscheinlich hatte er nach all den Jahren Frau und Kinder und sie längst vergessen. Es gab mindestens hundert gewichtige Gründe, warum sie sich ihn aus dem Kopf schlagen sollte. Vor allem aber drei.
    Marsilius. Den Fluch. Und den Vogt.
    Das Leben als ehrbare Frau, das sie bisher geführt hatte, war vorbei. Nun blieb ihr als Einziges, zu versuchen, diesem oder jenem Verwundeten zu helfen oder beim Sterben beizustehen. Vielleicht würde Gott ihr das einmal zugutehalten, wenn er am Tag des Jüngsten Gerichts über sie befand.
    Änne drückte ihr Bündel fester an sich, nickte Otto und den anderen zum Abschied zu und trat durch die Tür.
    Nach dem grellen Sonnenlicht mussten sich ihre Augen erst an das Halbdunkel des Raumes gewöhnen. Der Geruch nach Blut und Schweiß und das Stöhnen und Wimmern der Verletzten schienen sie erneut zurückzuversetzen in die Zeit auf Freiheitsstein.
    »Steh hier nicht herum!«, ermahnte sie ein noch recht junger Mann mit einem Feuermal auf der linken Gesichtshälfte und tief umschatteten Augen, der gerade einem Mann – der Kleidung nach ein Knecht – einen klaffenden Schnitt am Arm nähte. »Bist du verletzt?«
    »Nein. Ich will helfen.«
    »Dann kümmere dich um den da!«, sagte er schroff und wies mit dem Kinn auf einen mageren, sommersprossigen Burschen von zwölf oder vierzehn Jahren neben sich, der eine übel aussehende, eiternde Wunde an der Schulter hatte.
    Offenbar rechnete der Feldscher damit, dass sie sich erschrocken abwenden und das Weite suchen würde und er sich wieder ungestört seiner Arbeit zuwenden konnte. Verblüfft sah er, wie Änne sich neben dem Jungen niederließ, ihr Bündel auseinanderknotete und Leinenstreifen und Tinkturen herausholte.
    »Wie ist das passiert?«, fragte sie den Sommersprossigen, um ihn davon abzulenken, dass sie gleich den Eiter aus seiner Wunde herauspressen musste.
    »Königliche Streife«, brachte er lakonisch zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die haben gedacht, die kriegen mich. Von wegen!«
    Der Zustrom an Hilfesuchenden riss nicht ab. Dabei steht die Schlacht erst bevor, dachte Änne. Doch endlich hatte sie wieder das Gefühl, nützlich zu sein. Bald schien all das, was vor weniger als einer Woche in Freiberg geschehen war, unwirklich und in weiter Ferne zu liegen – wie aus einer längst vergangenen Zeit und einem ganz anderen Leben.
     
    Markus wollte die Zeit bis zur Dämmerung nutzen, um den ungeübten Kämpfern noch dies oder jenes im Umgang mit den Waffen beizubringen. Vor allem mussten sie lernen, die Furcht zu überwinden, wenn ihnen der Feind direkt gegenüberstand. Doch bevor er eine Gruppe zusammenrufen konnte, entdeckte er in der Nähe des Tores ein vertrautes Gesicht aus Freiberger Tagen: Otto, der einst zu seiner Burgwache gehört hatte. Und wie es aussah, brachte er noch mehr Freiwillige aus der Silberstadt.
    Mit langen Schritten lief er dem alten Gefährten entgegen und umarmte ihn.
    »Was bist du für ein Fuchs, dass du es immer wieder unbehelligt hierherschaffst!«, meinte er erleichtert, während er ihm auf die Schulter hieb. »Wir sind froh über jeden Mann!«
    »Unbehelligt ist vielleicht nicht das richtige Wort«, entgegnete Otto grinsend. »Wir hatten unterwegs ein paar kleine Raufereien mit den Königlichen, die

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