Blut und Silber
Bruder scharf zurecht, bevor er sich Ulrich zuwandte.
»Ich will mich nicht länger in Leipzig verkriechen und von den Türmen der Burg aus tatenlos zusehen, wie sie das Land niederbrennen«, erklärte der einstige Markgraf von Meißen hart. »Ich will die Entscheidung, so oder so. Das ist besser, als widerstandslos zu sterben. Alles ist besser, als nichts zu tun.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille.
Dann räusperte sich Herrmann von Goldacker. »Nortenberg wird nicht damit rechnen, dass wir angreifen, weil wir zahlenmäßig und auch von der Bewaffnung her unterlegen sind. Daraus sollten wir einen Vorteil schlagen.«
»Der Platz für das Lager ist klug gewählt, auf leicht erhöhtem Gelände, geschützt durch ein paar Wasserläufe und sumpfige Niederungen«, erklärte Markus den Neuankömmlingen aus Thüringen, die mit dem Territorium zwischen Altenburg und Pegau nicht so genau vertraut waren.
Auch das noch – gegen den Hügel anstürmen!, dachte Ulrich bitter. Er kannte das Gelände und hätte das eigene Lager ebenfalls genau an dieser Stelle errichten lassen, die sich gut verteidigen ließ.
»Ein paar einheimische Führer sind bereit, uns sicher und unbemerkt hindurchzugeleiten.«
»Wir müssen den Gegner überrumpeln«, schlug Diezmann vor. »Wir greifen im Morgengrauen an, stürmen mit der gesamten Reiterei direkt in ihr Lager und machen sie nieder, noch bevor sie nach den Waffen greifen und sich rüsten können.«
»Wir werden aufreiten, verhandeln und uns dann nach allen Regeln der ritterlichen Ehre mit ihnen schlagen, falls die Verhandlungen nichts fruchten!«, widersprach Friedrich seinem Bruder scharf. »Ich will, dass so viele Edelleute wie möglich gefangen genommen werden. Dann
muss
der König mit uns verhandeln, wenn Nortenberg es nicht will. Darum geht es!« Sie diskutierten lange, um alles zu berücksichtigen, das ihre Aussichten auf Erfolg erhöhte.
Wir haben eine Chance – wenn auch nur eine geringe, dachte Ulrich schließlich wider Erwarten. Oder ließ er sich von Friedrichs wilder Entschlossenheit blenden?
»Ich führe die thüringische Reiterei ins Feld, mein Bruder die meißnische«, beendete Friedrich den Kriegsrat. »Ruft das Leipziger Aufgebot zusammen. Morgen früh sollen sich alle Kämpfer zur Messe auf dem Markt einfinden. Danach brechen wir auf. Der Herr wird uns beistehen.«
Sobald es ihm möglich war, ohne unhöflich zu wirken, bat Ulrich um Erlaubnis, den Raum verlassen zu dürfen. Friedrich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch nach kurzem Zögern nickte er zustimmend.
Ohne Umwege ging Ulrich in seine Kammer. Wie vermutet, lag Sibylla dort in seinem Bett und schlief. Sie hatte fast die ganze letzte Nacht hindurch zusammen mit dem Feldscher die Verwundeten versorgt, die in die Stadt geflutet kamen, und war erst am Morgen völlig erschöpft zurückgekommen und ins Bett gesunken.
Sie wachte nicht auf, als er die Tür hinter sich schloss, rührte sich nicht einmal. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, legte er sein Schwertgehänge ab, setzte sich auf den Schemel am Fenster und betrachtete seine schlafende Geliebte.
Sie lag auf dem Bauch, hatte ein Bein leicht angezogen, wie er an den Konturen der Decke erkennen konnte, die er über sie gelegt hatte, den rechten Arm neben den Kopf gebettet. Eine Haarsträhne ringelte sich ihr über die Wange. Ihr Gesicht war ihm zugewandt, es schien völlig ruhig und entspannt.
Er sog den Anblick in sich auf wie Kraft zum Leben, während er reglos auf seinem Schemel saß. Mit einem Mal fröstelte ihn. Es war ein Gefühl, als wäre jemand über sein Grab gegangen.
Fast im gleichen Augenblick schlug Sibylla die Augen auf. Sie entdeckte ihn, lächelte und richtete sich verschlafen auf. Doch sie spürte sofort, dass er ernster wirkte als sonst, wenn sie miteinander allein waren. Ihr Lächeln erlosch, besorgt erforschte sie sein Gesicht.
»Ist es wegen des Familiengutes?«, fragte sie und zog sich fröstelnd die Decke enger um den nackten Körper. Ulrich hatte vor einiger Zeit Nachricht bekommen, dass auch sein angestammter Familiensitz wegen seiner bekannten Treue zum Haus Wettin niedergebrannt worden war. Obwohl er Jahre nicht dort gewesen war und die Gemahlin in Sicherheit auf ihren eigenen Ländereien wusste, traf ihn diese Nachricht härter als erwartet.
»Ein Haus kann man wieder aufbauen«, sagte er. »Solange sich die Dienerschaft und die Pächter in Sicherheit bringen konnten …«
»Also ziehen wir morgen in die
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