Blut und Silber
einmal verteidigen mussten.
Die Feuer wiesen ihm den Weg zu Sibylla.
Er entdeckte sie schon von weitem und sah, dass sie bei seinem Anblick erleichtert aufatmete.
Ulrich ging zu ihr, strich kurz mit den Lippen über ihr Haar und küsste ihre Schläfe. »Später«, sagte er leise. Sie würde wohl noch die ganze Nacht zu tun haben, und seine Verletzungen waren nicht so schlimm wie die der Männer, die hier vor seinen Füßen fast verbluteten. Sibylla lächelte ihm zu und wies mit dem Kopf zur Seite. »Ein guter Freund aus Freiberger Tagen ist gekommen!«
Von Maltitz sah in die Richtung und glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Um Jahre gealtert, mager und mit nun vollkommen weißem Haar, stand dort Conrad Marsilius, knurrte wie in alten Zeiten, scheuchte ein paar Helfer herum, beschimpfte die Wehklagenden als Simulanten und strahlte bei alldem wie eh und je die Autorität eines erfahrenen Arztes aus, während er einem blutüberströmten Mann eine Aderpresse anlegte.
Der Ritter beschloss, ihn vorerst in Ruhe seine Arbeit tun zu lassen. Morgen würde er mit dem einstigen Freiberger Ratsherrn auf das Wiedersehen anstoßen und ihn nach Neuigkeiten aus der Silberstadt befragen.
Durch die zunehmende Dunkelheit ging Ulrich zurück zu dem Zelt, in dem Friedrich und Diezmann mit dem bestens gelaunten Herzog von Braunschweig auf den Sieg anstießen. Eingedenk der Worte Nortenbergs war ihm nicht nach einer Siegesfeier zumute. Außerdem konnte er die Spannung zwischen Friedrich und Diezmann beinahe mit Händen greifen. Offenkundig stand der Disput über den unplanmäßigen ersten Angriff noch aus, und Ulrich spürte wenig Verlangen, dabei zu sein. Die Gefahr schien ihm zu groß, die Beherrschung zu verlieren, denn er konnte Diezmanns Anblick einfach nicht mehr ertragen. Also zog er sich bald wieder unter dem Vorwand zurück, sich um seine Wunden kümmern zu müssen. Albrecht von Sättelstedt bat mit der gleichen Begründung, ihm folgen zu dürfen.
»Ich glaube, den nahenden Ausbruch brüderlicher Freundschaft erspare ich mir lieber«, raunte der hünenhafte Sättelstedt Ulrich zu. »Eine Schlacht am Tag genügt mir.«
Plötzlich deutete der thüringische Turnierheld auf eine Gestalt ein paar Schritte vor ihnen.
»Wenn das keine Überraschung ist! Der Feuerschopf aus Freiberg! Sag, Kleiner, hat dich der Herzog von Braunschweig mit hierhergeschleift?«
»Ich habe ihm keine Wahl gelassen, Herr«, antwortete Christian mit dem üblichen frechen Grinsen, während er sich mit ausladender Geste vor den Rittern verbeugte. »Und wie Ihr wisst, kann ich sehr überzeugend sein.«
»Jetzt wird mir klar, vor wem die Königlichen in Wirklichkeit weggerannt sind«, spottete Sättelstedt ausgelassen.
So froh Ulrich auch war, den einstigen Freiberger Gassenjungen wiederzusehen, noch dazu allem Anschein nach unverletzt – ein Gedanke ließ ihn zusammenzucken.
»Hat der Herzog etwa Friedrichs Sohn mitgebracht? Du solltest doch bei ihm bleiben!«
»Nein, er ist in Sicherheit«, beruhigte Christian ihn. »Und er braucht mich nicht mehr. Er ist ein tapferer Junge, der gut damit zurechtkommt. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass die Verletzung doch noch ganz verheilt.«
Damit schien das Thema für den Rotschopf beendet; der Ausgang der Schlacht beschäftigte ihn viel mehr.
»Wir haben etliche Dutzend Ritter gefangen genommen«, berichtete er stolz und wandte sich direkt Ulrich zu. »Sechs davon durfte ich persönlich vom Schlachtfeld geleiten. Nun muss der König mit uns verhandeln! Was glaubt Ihr, Herr, wie lange es noch dauert, bis wir endlich wieder in Freiberg einziehen?« Sättelstedt ersparte Ulrich die Antwort.
»Nicht, bevor wir dem wahren Helden von Lucka einen ordentlichen Rausch verschafft haben!«, meinte er leutselig und hieb dem Rotschopf kräftig auf die Schulter. »Komm, mein junger Freund, dort vorn gibt es was zu trinken. Wir sind beide noch viel zu nüchtern für solch einen Tag! Ulrich, was ist mit Euch? Kommt mit, Ihr seht mir für einen Sieger recht missgestimmt aus!«
»Später«, versicherte Ulrich. »Erst will ich die Rüstung ablegen. Es war ein langer Tag.«
»Oh, danach werdet Ihr Euch leicht wie eine Feder fühlen«, sagte Sättelstedt und grinste. Kettenhemd, -beinlinge und Plattenpanzer wogen fast so viel wie ein halber Mann.
Vielleicht werde ich alt, dass ich jeden Knochen einzeln spüre, dachte Ulrich, während er sich auf die Suche nach seinem Knappen begab.
Er fand den Jungen schluchzend hinter
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