Blut und Silber
über der Nasenwurzel in sein Gesicht.
»Soll mein Bruder noch die Siegesmesse in Leipzig feiern, sofern der Allmächtige nicht beschließt, ihn für diesen Frevel auf der Stelle zu richten«, meinte er bitter und sah Goldacker direkt in die Augen.
»Sagt mir, Marschall: Was ist übler? Wenn ich als Mörder meines Bruders in die Geschichte eingehe? Oder als jemand, der solchen Frevel tatenlos geduldet hat?«
Goldacker verzog keine Miene.
»Ich verstehe«, sagte er nur und nickte kaum sichtbar. »Es wird kein Verdacht auf Euch fallen.«
»Vor dem Herrn werde ich diese Sünde auf mich nehmen – auch wenn Ihr die Waffe führt«, erwiderte Friedrich leise. »Ihr habt mein Wort. Und nun geht und lasst Euch und Euren Getreuen etwas zu essen bringen.«
Es war offensichtlich, dass er allein sein wollte. Also verneigte sich der Marschall und ging hinaus zu den Männern, die mit ihm nach Pegau geritten waren.
Wie Markus auf dem Schlachtfeld überlebt hatte, wusste er selbst nicht. Irgendwann beim dritten Angriff war sein Pferd gestürzt und nicht wieder hochgekommen. Er hatte den Sturz einigermaßen unverletzt überstanden und kämpfte zu Fuß weiter. Mit dem Schwert wütete er durch die gegnerischen Truppen, bis ihn ein wuchtiger Schlag ins Kreuz bewusstlos zu Boden gehen ließ. Entweder hielt ihn der Angreifer für tot, oder er wurde von anderen Kämpfern abgelenkt. Dass der einstige Hauptmann der Wache zwischen all den stampfenden Pferden nicht zermalmt wurde, grenzte an ein Wunder.
Er kam erst wieder zu sich, als die Sonne schon aufgegangen war. Mit Mühe versuchte er, die Benommenheit abzuschütteln.
Um ihn herum lagen unzählige Tote, irgendwo weiter weg schrie ein Mann vor Schmerz und bat darum, erlöst zu werden. Mitten im Schrei verstummte er.
Nun hörte Markus Schritte und leises Klirren von Metall. Da er nicht wusste, wer die Schlacht gewonnen hatte, hielt er es für besser, sich tot zu stellen. Nach dem Kampf gingen üblicherweise Männer vom Fußvolk über das Feld, um die eigenen Verwundeten fortzutragen, wenn sie Aussicht hatten zu überleben, nach Gegnern von edler Herkunft zu suchen, für die man als Gefangene Lösegeld fordern konnte, und alle anderen abzustechen.
Zu seinem Glück hatte er sein Schwert zur Hälfte unter dem Körper begraben, ohne sich dabei zu verletzen. Sonst hätte es schon längst jemand als Trophäe an sich genommen. Sich so wenig wie möglich bewegend, zog er den Dolch und umklammerte den Griff, bereit zuzustoßen, sollte sich jemand ihm nähern.
Doch die Schritte entfernten sich wieder. Von weitem hörte er, wie jemand mit einem Ritter stritt, der ebenso wütend wie lauthals behauptete, dass der König ein ansehnliches Lösegeld für ihn zahlen würde.
Also haben wir gesiegt?, fragte sich Markus, immer noch benommen. Er stemmte sich hoch und sah sich um.
Zwei Dutzend Schritte von ihm entfernt graste ein Grauschimmel. Markus kannte das Tier, es gehörte einem von Friedrichs Lanzenführern. Er wunderte sich nicht lange darüber, wieso noch niemand den Hengst zur Koppel geführt hatte, sondern ging gemächlich darauf zu. Das Pferd hörte auf zu fressen und zuckte mit den Ohren, doch es lief nicht weg. Beruhigend strich Markus ihm über den Hals und zog sich in den Sattel.
Das wettinische Heerlager war bereits zur Hälfte abgebrochen, als Markus dort ankam.
Nahe dem Kampffeld, auf dem Scharen von Krähen versammelt waren, hatten mehrere Dutzend Männer – der Kleidung nach Bauern oder Knechte – die Arbeit als Totengräber begonnen. Priester begleiteten sie, um die Erde zu weihen, die nun Hunderte von Toten aufnehmen musste. Am Vortag hatten sie noch gegeneinander gekämpft, nun würden sie Seite an Seite ruhen bis zum Tag der Wiederauferstehung.
Nur einige Gefallene von besonderem Rang sollten mit nach Leipzig geführt und dort bestattet werden. Ein Bote mit welfischem Wappenrock ritt heran und verkündete lauthals, dass Herzog Heinrich soeben die nahe gelegene Burg Breitenhain eingenommen hätte, wohin sich etliche Anführer des pleißenländischen Heeres geflüchtet hatten. Es seien nun noch mehr Männer von Rang in Gefangenschaft geraten, und die würden sicher nach Leipzig geleitet werden.
Markus hatte gedacht, dass es trotz des Gewimmels um ihn herum einfach wäre, Änne zu finden. Doch im Krankenlager unter thüringischem Banner konnte er sie nicht entdecken. Ob ihr etwas geschehen war? Oder war sie auf das Kampffeld geschickt worden, um nachzusehen,
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