Blut und Silber
angeführt von ihm selbst, einem der erfahrensten Feldherren, den das Land je gesehen hatte?
Die Schlacht von Lucka hatte schon Hunderte von Menschenleben gekostet. Doch die nächste militärische Konfrontation wäre ungleich härter. Deshalb musste er den Gedanken verwerfen, seine Frau hierherzubitten. Es war zu gefährlich.
Würde er Elisabeth je wiedersehen? Jetzt bereute er es, ihr vor dem Aufbruch aus dem Reinhardsbrunner Kloster nur einen flüchtigen Kuss gegeben zu haben.
Dass Elisabeth und er eine gute Ehe führten, hätte er jederzeit ohne Zögern und aus ehrlichem Herzen bejaht. Doch liebte er sie so, wie Ulrich Sibylla geliebt hatte? Wohl nicht, gestand er sich ein. Wenn er das alles hier lebend überstand und zu einem guten Ende gebracht hatte, sollte er vielleicht Elisabeth mit anderen Augen betrachten und sie als Gefährtin ernster nehmen.
Mit einem Mal verspürte er den dringenden Wunsch, ihr ein Geschenk zu machen. Etwas, worüber sie sich wirklich freute. Doch was? Woher? Jetzt, in all den Kriegswirren, würden wohl kaum Händler mit besonders kostbaren Waren nach Leipzig kommen.
Nikol Weighart, der einstige Bürgermeister von Freiberg, fiel ihm ein, der in dem Ruf stand, einer der geschicktesten Silberschmiede des Landes zu sein. Bei ihm würde er einen Ring für Elisabeth in Auftrag geben. Vielleicht mit böhmischen Granatsteinen, die sie besonders gern mochte, eingefasst von einem Löwen, dem Wappentier Thüringens und der Mark Meißen? Auf dem Reif aber, und das war ihm das Wichtigste, sollten seine und ihre Initialen eingeschlagen werden, und dazu die Worte: In Liebe. Auf ewig. Sie würde verstehen, dass dies nicht nur eine höfische Floskel war.
Doch bevor er einen Boten mit diesem Auftrag losschickte, war etwas noch Dringenderes zu tun. Friedrich ließ seinen Beichtvater zu sich bitten.
»Ich möchte meinen letzten Willen von Euch niederschreiben lassen, Pater. Und Euch einen Brief an meine Frau zu treuen Händen übergeben, den sie – und niemand sonst! – erhalten soll, falls mir etwas zustößt.«
Dies war im Moment alles, was er tun konnte, um Elisabeth wissen zu lassen, wie viel sie ihm bedeutete.
»Dagegen, was nun bevorsteht, wird uns Lucka wie ein Spazierritt vorkommen«, verkündete Christian seinen Freunden; allerdings wirkte er dabei eher prahlerisch als besorgt oder beängstigt.
Das abendliche Mahl in der markgräflichen Burg von Leipzig war bereits vorüber, er saß wie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Otto, Änne, Gero und den anderen Freibergern zusammen, um zu plaudern, Erinnerungen aufleben zu lassen und Pläne zu schmieden, wann und wie sie wohl Freiberg zurückerobern konnten.
Markus war unbemerkt zu ihnen getreten und knurrte: »Bursche, hör auf, anderen Leuten Angst einzujagen!«
Dem prahlerischen Rotschopf ging einfach zu oft die Phantasie durch – und sein Gauklertemperament ebenso. Insgeheim fühlte sich Markus zwar nach wie vor belustigt von Christians Eskapaden, und er hatte nicht vergessen, dass er dem Jungen sein Leben verdankte und was dieser für ihn gewagt hatte. Doch es schwirrten schon genug Gerüchte durch die Stadt.
Sie mussten sich darauf einstellen, dass Albrecht von Habsburg nun alles gegen sie warf, was er an Truppen aufbieten konnte. Solange die Unterhändler noch nicht vom König zurückgekehrt waren, war es besser, den Leuten nicht jetzt schon Furcht vor einer noch größeren und diesmal womöglich vernichtenden Schlacht einzuflößen. Und es gab einen Hoffnungsschimmer, wie er aus den vertraulichen Besprechungen mit Friedrich und seinen militärischen Beratern wusste. Doch davon durfte er hier nichts verlauten lassen.
Die anderen rückten zusammen, um ihm Platz zu machen.
»Was meinst du, Hauptmann, wann holen wir uns endlich Freiberg zurück?«, fragte Otto, und in den von unzähligen Fältchen umgebenen Augen des Kahlkopfes blitzte es. »Unter deinem Kommando würde ich mich trotz meiner Jahre noch einmal als Burgwache anwerben lassen, falls du mich nimmst. Dann räumen wir in der Stadt auf mit all dem Verräterpack!«
»Dafür werden wir jeden einzelnen Mann brauchen. Auf einen wie dich können wir gar nicht verzichten«, versicherte ihm Markus, ohne sich zu setzen.
Ihm war nicht entgangen, dass ein Schatten über Ännes Gesicht fiel, als von der Rückkehr nach Freiberg die Rede war. Offensichtlich rechnete sie nicht damit, wieder dorthin ziehen zu dürfen. Darüber musste er mit ihr reden. Er war sowieso
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