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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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königliche Heer auf der gegenüberliegenden Anhöhe einrichtete, die – wie Ulrich wusste – eine von Schnee bedeckte Halde war.
    Mit Drohungen oder hämischen Bemerkungen gegen die Hüter der Stadt zogen die Bewaffneten an ihm vorbei. Und wie Ulrich befürchtet hatte, gingen schon bald die ersten Häuser im Judenviertel in Flammen auf.
    Bald erreichte die Spitze des Zuges den Hügel. Die Absicht der Belagerer war klar. Von hier aus hatten sie nicht nur einen guten Überblick und konnten Wurfgeschosse gezielt und wirkungsvoll in die Stadt schleudern. Weil dies ein Gebiet mit vielen Gruben war, ließen sich auch Huthäuser und überdachte Scheidebänke als Unterkünfte nutzen.
    Friedemar, der Bergmeister, trat mit finsterer Miene neben ihn und sah zu, wie die Männer des Königs begannen, die Reste des Grubenholzes zusammenzuklauben, die nicht in die Stadt geschafft worden waren, um damit das Erlwinsche Tor zu versperren. Bald brannten ein paar heftig qualmende Feuer. Dann gingen die Belagerer daran, Holz aus den Gruben zu holen, Fahrten und Grubenstöcke, die die Stollen abstützen sollten.
    »Das«, sagte Friedemar mit grimmiger Genugtuung und verschränkte die Arme vor der Brust, »könnte ihnen zum Verhängnis werden.«
    Ulrich begann zu ahnen, was der Bergmeister erwartete, und sah gespannt hinüber. Die Anhöhe, auf der nun ein Teil des Heeres Quartier bezog, schloss sich unmittelbar an die derzeit genutzten Gruben an und war über mehrere Generationen von Bergleuten durchfahren worden. Sie war voller Stollen und Schächte, und niemand vermochte zu sagen, wie lange das Erdreich unter der Halde stabil bleiben würde, wenn erst die Grubenstöcke herausgebrochen waren.
    Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als es auch schon passierte. Erst begann das Erdreich langsam nachzugeben, dann plötzlich sackte es weg. Krachend fiel die Halde in sich zusammen, und die Lawine von Steinen und Geröll riss auch den Marschall und etliche seiner Männer mit sich. Zwei schwerbeladene Karren folgten ihnen laut rumpelnd in die Tiefe.
    Für einen Moment waren die Gegner vor Entsetzen wie gelähmt. Dann rannten alle auseinander, fort von den nachsackenden Rändern. Kommandos wurden gebrüllt, bis sich schließlich in wilder Eile der Rest des Heeres samt den Pferden und Trosskarren zurückzog, weg von der Unglücksstelle und den trügerischen, vom Bergbau durchlöcherten Hügeln.
    »Gott hat unsere Gebete erhört!«, stieß einer der Männer hinter Ulrich erleichtert aus, und die anderen jubelten und wiederholten seine Worte.
    Einer nach dem anderen fielen sie auf die Knie, um dem Allmächtigen für die unerwartete Hilfe zu danken.
    »Es ist noch nicht vorbei«, sagte Ulrich scharf. Augenblicklich trat Stille ein. Er bedeutete dem Bergmeister, ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie zum Oberen Markt, um mit den vierundzwanzig Consuln – Ratsherren und die Herren des Bergschöppenstuhls, den Markgraf Friedrich vor einigen Jahren eingerichtet hatte – über das Ultimatum des Königs zu beraten.
     
    Der Feldscher, ein stämmiger Kahlkopf mit finsterer Miene und vernarbtem Gesicht, hatte Änne kritisch gemustert, als sie sich bei ihm meldete. Doch er brummte zufrieden, als sie ihm den Kasten mit Arzneien zeigte, die sie mit Jenzins Erlaubnis hatte mitnehmen dürfen.
    »Setz dich dorthin und reiß Leinen in Streifen«, wies er sie an und zeigte mit dem Kopf in eine Ecke der Kammer. Dort war zu Ännes Überraschung Sibylla bereits mit dieser Arbeit beschäftigt.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie die Fremde schüchtern.
    »Jedenfalls kann
ich
schon wieder sitzen«, meinte Sibylla trotz ihrer eigenen Verletzungen mit sanftem Spott, als Änne im Stehen begann, die Leinenbahnen auseinanderzureißen.
    Änne schwieg. Schließlich fragte sie leise: »Hast du Angst zu sterben?«
    »Nein.« Die Antwort kam ohne Zögern.
    Im Tod sehe ich meine Gefährten wieder, dachte Sibylla, meinen Liebsten, und all die Schmach und der Schmerz sind vergessen. Sofern Spielleute in den Himmel kamen, was die Geistlichkeit bestritt. Doch sie glaubte fest an Gottes Erbarmen und hatte am Morgen in der Kapelle ein inbrünstiges Gebet für die Seelen ihrer toten Freunde gesprochen.
    »Manchmal denke ich auch, es wäre besser, tot zu sein. Eigentlich denke ich das fast immer. Nur vorm Höllenfeuer hab ich Angst«, wisperte Änne mit gesenktem Kopf.
    Verwundert sah Sibylla auf das magere Mädchen, das kaum vierzehn oder fünfzehn Jahre zählen konnte.
    Dass

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