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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Stadtphysicus und Hannemann Lotzke, immer noch voll hilfloser Trauer über den Tod seines Sohnes, energisch dafür eintraten, dem Markgrafen die Treue zu halten, plädierten Kramermeister Berlewin, Weinhändler Dittrich Schocher und Tucher Conrad von Rabenstein dafür, dem König die Stadt zu übergeben. Der zwielichtige Apotheker drehte sein Fähnlein nach dem Wind und versuchte, es allen recht zu machen.
    »Meister Beschorne, wie beurteilt Ihr als Rechtsgelehrter die Lage?«, fragte der Bürgermeister nun.
    Augenblicklich trat Ruhe ein, alle Blicke richteten sich auf den Advokaten.
    »Man kann wohl trefflich darüber streiten, ob es einerseits rechtens ist, dass Friedrich die Markgrafschaft nicht in direkter Linie, sondern von seinem Neffen erbt, und andererseits der König die Markgrafschaft einfach so einzieht«, erklärte Dittrich Beschorne gelassen, während er die Fingerspitzen aneinanderlegte und seine Hände beinahe unter den weiten Ärmeln seines schwarzen Gewandes verschwanden. »Für den Markgrafen spricht: Es gab keinen König zu jener Zeit, als die Mark Meißen mit dem überraschenden Tod des jungen Friedrich Tuta verwaiste. Was unser Fürst tat, gebot die Lage – das Lehen zu übernehmen, das seit zweihundert Jahren dem Hause Wettin gehört, und den Menschen in diesen schwierigen Zeiten, wo das Raubgesindel überhandnimmt, Schutz angedeihen zu lassen.«
    Der Gelehrte lehnte sich zurück und breitete die Hände aus. »Was den Rest betrifft, so ist die Angelegenheit völlig klar. Das Fürstengericht hat noch nicht die Acht über Markgraf Friedrich gesprochen. Er hat uns die Schlüssel zur Stadt überlassen, also dürfen wir sie auch nicht ohne seine Zustimmung übergeben.«
    Nach einer kurzen, aber wirkungsvollen Pause fuhr Dittrich Beschorne fort: »Es gibt dazu juristische Präzedenzfälle. Der bedeutendste liegt schon mehr als hundert Jahre zurück; damals, als der große Kaiser Friedrich Rotbart Krieg gegen Heinrich den Löwen, den Welfenherzog, führte. Obwohl Heinrich schon in Acht und Oberacht gefallen war, gewährte der Kaiser den Bürgern von Lübeck Gelegenheit, erst die Erlaubnis ihres einstigen Herrn einzuholen, bevor sie die Stadt übergaben. Danach wurde Lübeck wieder in Gnade aufgenommen.«
    Aber Friedrich von Hohenstaufen war ein großer Kaiser, ein Mann von edler Gesinnung, dachte Ulrich von Maltitz zynisch. Und Adolf von Nassau ist ein kleiner König, der sein Wort nicht hält.
    Am liebsten hätte er die Debatte abgebrochen. Doch er durfte die Ratsherren nicht übergehen. Es ging um Wohl und Wehe der Stadt, um Leben und Tod ihrer Bewohner. Wenn sie sich nicht ergaben, würde auf jeden Fall Blut fließen. Aber es war trügerisch zu glauben, dass
kein
Blut floss, falls Adolf morgen früh die Schlüssel zur Stadt bekam.
    Wenn er diese Entscheidung als Burgkommandant allein traf, würde die Bürgerschaft nicht geschlossen hinter ihm stehen. »Advokaten«, hörte Ulrich den Weinhändler leise murren, der dabei ein Gesicht schnitt, als würde er Essig und nicht Wein verkaufen. »Die erklären stets die Welt so, dass einem am Ende schwindlig davon wird.«
    »Sprecht laut, Meister Schocher, wenn Ihr Einwände habt«, ermahnte der Bürgermeister.
    »Wo ist der Markgraf überhaupt? Warum ist er nicht hier, bei uns, wenn wir in Gefahr sind, wo er sich doch sonst so oft in Freiberg aufhält? Warum schickt er uns nur ein paar Männer?«, forderte der rundliche Kramermeister laut vom Burgkommandanten zu wissen.
    Dass Berlewin diese Frage überhaupt und noch dazu in diesem Ton stellte, bewies Ulrich, dass hier jemand in Gedanken schon den Herrn gewechselt hatte.
    »Markgraf Friedrich ist zu seinem Bruder Diezmann in die Lausitz geritten, um von ihm militärischen Beistand zu erbitten«, erklärte der Burgkommandant.
    Diese Antwort sorgte für Aufregung und hoffnungsfrohe Mienen unter den Consuln.
    »Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?«, brachte der Apotheker erleichtert hervor.
    Weil ich nicht daran glaube, dass Diezmann helfen wird, dachte Ulrich bitter, ohne es auszusprechen. Die Brüder – listig vom Vater gegeneinander ausgespielt – waren seit Jahren zerstritten. Während Friedrich vom König faktisch entmachtet war, besaß der jüngere Diezmann außer der Lausitz auch die Zusage seines Vaters, in Thüringen mitzuregieren. Er würde sich nicht mit dem König anlegen und alles riskieren.
    Einer der Bergschöppen wollte das Wort ergreifen, doch gellende Schreie übertönten ihn.
    »Was

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