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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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immer hilfloser.
    Plötzlich hörte sie hinter sich eine bekannte Stimme.
    »Jetzt bist du also getauft und trägst den Namen eines großen Kämpfers.«
    Änne drehte sich um und sah Jan in Begleitung seines älteren Bruders, mit dem sie noch nie ein Wort gewechselt hatte, weil er einen wichtigen Posten bekleidete und meistens ziemlich beschäftigt wirkte. Ein hinkender rothaariger Junge war bei ihnen. Den kannte sie ebenfalls, obwohl sie auch mit ihm noch nie gesprochen hatte. Manchmal, wenn der Meister sie mit Aufträgen durch die Stadt schickte, beobachtete sie den Rotschopf dabei, wie er üppigen Matronen und feisten Bürgern einen Streich spielte. Einmal hatte sie sogar zugesehen, wie er ihrem Vormund von hinten eine Handvoll Schuppen und Innereien vom Fischstand in den Kragen schüttete. Sie hatte ihn nur verstohlen angeblickt und den Finger auf den Mund gelegt zum Zeichen dafür, dass sie nichts verraten würde, während der eitle Ratsherr fluchend und schimpfend den Unrat von seinem kostbaren Tasselmantel zu wischen versuchte.
    »Änne!«, begrüßte Jan sie freudestrahlend. »Schau nur, gerade haben mein Bruder und ich einen richtigen Kerl aus diesem Strolch gemacht. Der Kaplan hat ihn getauft, und nun hat er einen Namen.«
    »Christian«, verkündete der Rotschopf stolz. »So hieß der Ritter, der Freiberg gegründet hat. Ein tapferer Mann und wahrer Held, der mutig in den Tod ging, um die Menschen zu retten, die zu schützen er geschworen hatte.«
    Änne fuhr zusammen, als sie den Namen hörte. Wussten Jan und sein Bruder denn nicht, dass jener Christian einem verfluchten Geschlecht entstammte, genau wie sie?
    Jan verstand ihre erschrockene Miene falsch. Er glaubte, sie fürchte sich, weil er sie unbeabsichtigt daran erinnert hatte, dass sie heute noch alle sterben konnten.
    »Hab keine Angst. Hier auf der Burg bist du sicherer als irgendwo sonst«, meinte er rasch und versuchte, sie aufzumuntern. »Sieh nur, so viele bis an die Zähne bewaffnete Männer – alle zu deinem Schutz.«
    Als sie nicht reagierte, wurde er ernst. »Hier kann dich dein Vormund nicht schlagen.«
    Beschämt senkte Änne den Blick, wobei sie vermied, Markus anzusehen, dessen Gesicht sich zusehends verfinsterte. »Weißt du, wo ich den Feldscher finde? Ich soll mich bei ihm melden«, fragte sie schüchtern.
    »Das war mein Vorschlag. Ich dachte, so bist du vor dem strengen Meister Jenzin sicher.«
    »Der Feldscher ist bei der Rüstkammer«, mischte sich Markus ungeduldig ein. Sie mussten zum Peterstor, noch heute konnte sich ihr Schicksal entscheiden, und sein leichtlebiger Bruder hatte wieder einmal nur Mädchen im Sinn.
    Er zeigte zur Rüstkammer, dann gab er Jan einen Schubs. »Wir müssen zum Tor, schon vergessen?«, ermahnte er den Jüngeren grimmig.
    Änne bedankte sich, nun vollständig eingeschüchtert, und wollte gehen.
    »Vielleicht kannst du vorher noch nach Sibylla sehen!«, rief Jan ihr nach. »Die junge Frau, die ich gestern Nacht zu dir gebracht habe. Ich glaube, sie hilft den Mägden, Essen auszuteilen.«
    Die Fremde scheint ihm wirklich am Herzen zu liegen, dachte Änne und verspürte dabei einen Stich. Aber sie würde sowieso nie einen Mann finden, geschweige denn einen guten. Sie war bettelarm und ohne Aussicht auf eine Mitgift. Und sie war verflucht wie jener Christian, dessen Namen der Rotschopf nun trug. Wie Christian und Marthe – ihre Vorfahren.
    Ängstlich versuchte sie, sich in dem Gewühl zur Küche durchzuarbeiten, ohne ständig von den durcheinandereilenden Bewaffneten geschubst und angerempelt zu werden.
    Sie blickte sich ein letztes Mal nach Jan um und hörte ihn noch zu dem rothaarigen Burschen sagen: »Vorwärts! Bald kannst du beweisen, ob du deinen neuen Namen auch verdienst.«
    Dann hatte sie die drei aus den Augen verloren.
     
    Auf dem Weg zum Peterstor nahm sich Markus seinen Bruder erbarmungslos vor. »Was hast du dir dabei gedacht, Jenzins Mündel auf die Burg zu holen?«, fuhr er ihn an.
    »Vielleicht werden wir heute schon angegriffen, da können wir dort niemanden brauchen, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtet! Und du grins nicht so und lauf schon vor!« Nun bekam auch der Bursche, der jetzt Christian hieß, sein Fett weg.
    Der Rotschopf setzte sofort eine ernste Miene auf und rannte los. Markus war sicher, dass er schon im nächsten Augenblick wieder frech grinste.
    »Wieso?«, entrüstete sich Jan. »Sie hat mehr Ahnung von Kräutern und Tinkturen als dieser Jenzin und ist
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