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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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enttäuschen.«
    Der Junge, der nun Christian hieß, hatte nicht geahnt, dass er den Zorn des Ritters wecken würde, und das auch nicht beabsichtigt. Zum ersten Mal hatte ihm jemand einen Platz zugewiesen, und dafür wurde Ulrich die grenzenlose Bewunderung des missgestalteten Jungen zuteil.
    »Gut«, erwiderte Ulrich streng. »Lauf los und bitte Niklas von Haubitz auf die Burg, wenn er abkömmlich ist. Du erkennst ihn an seinem Wappen: blau-weiß gespalten mit einer Lilie in der Mitte. Mich findest du im Prägehaus.«
    Christian nickte heftig, stand auf und lief zum Tor, wo er mit den Wachen diskutierte.
    Jetzt erst erlaubte sich Ulrich ein kaum sichtbares Lächeln.
     
    Mit einem Stöhnen stand Änne auf und streckte den schmerzenden Rücken durch. Sie war harte Arbeit gewohnt, aber diese Nacht hatte ihr alle Kräfte abverlangt.
    Als der Angriff begann, hatte sie anfangs noch ängstlich nach draußen gespäht, um mitzubekommen, was dort vor sich ging. Doch dann blieb ihr keine Zeit mehr dafür, ebenso wenig für Gebete.
    Rasch bekamen sie und Sibylla im behelfsmäßig eingerichteten Lazarett im Prägehaus alle Hände voll zu tun.
    Nun war das neue Kleid schon wieder blutverschmiert, ebenso die Schürze. Um sich herum hörte sie das Stöhnen der Verletzten, und in ihren Ohren gellten immer noch die Schreie der Männer, denen sie einen Pfeil herausschneiden, eine Schwertwunde nähen, einen Arm oder ein Bein abnehmen mussten.
    Doch sie hatte sich getäuscht, wenn sie dachte, fürs Erste wäre ihre Arbeit getan. Jetzt, nach Ende des Angriffs, kamen noch etliche leichter Verletzte, die sie nicht hatten aufsuchen wollen, solange gekämpft wurde.
    Sie sah den jüngeren Sohn des verstorbenen Burgkommandanten unentschlossen in der Tür stehen. Längs über seine linke Gesichtshälfte klaffte ein tiefer Schnitt.
    Zaghaft ging sie auf ihn zu. »Das muss genäht werden, Herr.« Sie wies auf die Außenwand des Prägehauses. »Bitte, setzt Euch hierher.«
    Nun, da der Angriff aufgehört hatte, war es besser, die Verwundeten bei Tageslicht zu behandeln statt im flackernden Schein eines Talglichtes.
    »Ich nehme einen dünnen Faden und setze die Stiche eng nebeneinander. Das schmerzt zwar im Moment mehr, aber dafür wird die Wunde besser verheilen und die Narbe weniger auffallen«, erklärte sie, nachdem sie vorsichtig Schorf, Blut und Schmutz von seinem Gesicht gewaschen hatte.
    »Als ob es darauf noch ankommt«, erwiderte er mit flacher, undeutlicher Stimme. Die Verletzung erschwerte ihm das Reden. Und er schien nach dieser Nacht überzeugt, die nächsten Angriffe nicht mehr lebend zu überstehen.
    Gern hätte Änne ihn getröstet oder ihm Mut gemacht.
    Doch wer war sie, dass sie einem Ritter widersprechen durfte? Zumal sie selbst nicht daran glaubte, dass sie das hier überlebten. Früher oder später würde der König mit seinen Truppen die Stadt einnehmen. Ihr war, als sähe sie hinter dem jungen Mann – Gerald hieß er, das wusste sie – schon einen dunklen Schatten.
    Sie hörte Schritte im Schnee knirschen und sah kurz zur Seite. Der Burgkommandant. Gehorsam wollte sie aufstehen, um sich vor ihm zu verneigen, doch er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, mit der Arbeit fortzufahren, und ging hinein.
     
    Ulrich von Maltitz hatte sich am Brunnen einen Eimer Wasser über die Hände gießen lassen, das Blut abgespült und das Gesicht gewaschen. Danach und nach der spartanischen Mahlzeit, die Hildegard austeilen ließ, fühlte er sich einigermaßen erfrischt.
    Er sah mit einem Blick, dass das Apothekermädchen gute Arbeit beim Sohn seines Vorgängers leistete, und betrat das Prägehaus. Der Feldscher war nicht da, und so hakte sich sein Blick sofort bei Sibylla fest, die ihn nicht bemerkte. Die Gauklerin kühlte einem der Männer, die vor Schmerz stöhnten, mit einem nassen Tuch die Stirn. Dabei hielt sie seine Hand und flüsterte ihm tröstende Worte zu.
    Für einen Moment fühlte Ulrich das übergroße Verlangen, diese Frau zu nehmen. Er wusste, das war das Hochgefühl nach einem bestandenen Kampf. Er hatte getötet, aber er hatte überlebt.
    Doch als sie die dunklen Locken zurückstrich, sah er wieder die Würgemale und die blutunterlaufenen Handgelenke im flackernden Licht. Erneut fühlte er Bedauern, dass diese Schönheit, die ihn faszinierte, wohl vorerst keinem Mann nahe kommen würde. Es sei denn, als barmherzige Schwester, wie sie es jetzt gerade tat.
    Die Erinnerung war zu lebendig, wie sie mit einem Messer im

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