Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
würde, wenn er es versuchte, den Pfeil herauszuziehen. Doch zumindest der Schaft musste heraus, sonst würde niemand durch das Kettengeflecht an die Wunde kommen.
    Reinhard erriet, was er vorhatte, und stützte ihn. Ulrich holte tief Luft und zog vorsichtig am Schaft, was einen flammenden Schmerz durch seinen ganzen Körper jagte, um festzustellen, dass sich das Holz wie erwartet bereits im Fleisch festgesogen hatte. Dann betete er stumm zum heiligen Georg, biss die Zähne zusammen, atmete tief durch und zog mit aller Kraft.
    Ihm wurde speiübel, Sterne tanzten vor seinen Augen, und sein Körper schien vor Schmerz zu bersten. Blut sprudelte aus der Wunde. Doch er hielt den Pfeil in seinen Händen – ohne die Spitze, die noch im Fleisch steckte.
    »Hol den Feldscher!«, rief Reinhard Ulrichs Knappen zu. Jedem der Männer war klar, dass ihr Kommandant es nicht die Treppe hinunterschaffen würde.
    »Du bleibst bei ihm!«, befahl er Gerald. Dann rannte er nach rechts, zu den Männern, denen es endlich gelang, die Sturmleiter umzustoßen. Schreiend stürzten die Angreifer in die Tiefe.
    Bis zur nächsten Attacke war etwas Zeit gewonnen; Markus’ Bogenschützen standen in dichter Reihe und sandten ihre Pfeile gegen die Anstürmenden.
    Wenig später krachten die ersten Geschosse auf die Burg.
     
    Atemlos kam Roland zurück. Doch an Stelle des Feldschers begleitete ihn das Mündel des Apothekers. Sie trug einen Korb mit Verbänden, Tinkturen und Gerätschaften mit sich, von denen Ulrich hoffte, dass diese nicht für ihn benötigt wurden. Obenauf lag die Apparatur, mit der der Feldscher Pfeilspitzen und Armbrustbolzen aus dem Fleisch zog.
Die
würde wohl auf jeden Fall benötigt. Aber warum schickten sie ihm dieses zarte Ding mit den schmalen Händen?
    »Das ist kein Platz für ein Mädchen!«, schrie Ulrich, um den Lärm zu übertönen, den das Bersten einer Zinne nur ein paar Schritte von ihnen entfernt und die niederprasselnden Steine verursachten. »Rasch, geh und hol den Feldscher!«
    »Verzeiht, Herr, der amputiert gerade einen Arm und kommt sofort, wenn er fertig ist«, sagte sie entschuldigend.
    »Geh wieder runter! Hier ist es zu gefährlich für dich«, wiederholte er heftig.
    »Nicht gefährlicher als unten auch«, meinte sie gleichgültig und zuckte mit den Schultern.
    Zehn Schritte von ihnen entfernt schlug unter gewaltigem Getöse ein weiterer Gesteinsbrocken ein; fast zeitgleich ging ein Schauer rotglühender kleiner Brocken und Funken über ihnen nieder. Sie duckten sich beide hinter der Zinne, doch ein Stück Glut fiel auf Ännes Kopftuch, das wie immer ihr Haar vollständig verbarg. Hastig zog sie sich das Tuch vom Kopf, um die Glut abzuschütteln. Dabei konnte Ulrich zum ersten Mal ihr Haar sehen: rotblond und zu einem Zopf geflochten, der im Nacken verknotet war.
    Rasch band sie sich das angesengte Stück Leinen wieder um.
    Ulrich wunderte sich über ihre ungewöhnliche Gelassenheit angesichts der Situation. Er hatte sie von ihrer ersten Begegnung als völlig verängstigt in Erinnerung. Hatten die ständige Gefahr und das Grauen sie abgestumpft, wie es mit manchem Kämpfer im Verlauf der Schlacht geschah? Oder verlor sie allmählich vor lauter Angst den Verstand?
    Dann lasst uns beten, dass nicht gleich der nächste Angriff mit Sturmleitern folgt, dachte er.
    Aber die Söldner des Königs schienen sich jetzt auf eine Stelle ein ganzes Stück von ihnen entfernt zu konzentrieren. Reinhard von Hersfeld und Markus hatten ihre Leute dort bereits zusammengezogen.
    »Ihr wollt sicher kein Mittel, das Euch betäubt, um den Schmerz wenigstens etwas zu mildern?« Nun musste auch Änne beinahe schreien, um in dem Kampflärm gehört zu werden.
    Entschieden schüttelte Ulrich den Kopf. Das konnte er sich jetzt nicht leisten.
    »Stützt Euch auf mich, um Euch hinzusetzen«, bot sie an.
    Es kam Ulrich völlig unangemessen vor, sich als Ritter von einem Mädchen, noch dazu solch einem zarten Ding, stützen zu lassen. Sie würde wohl kaum sein Gewicht halten können, ganz zu schweigen von dem seines Kettenhemdes und des Plattenrocks.
    Zum Glück war Roland schon an seine Seite getreten und half ihm, sich niederzulassen. Der Schmerz trieb ihm den Schweiß auf die Stirn und ließ erneut Sterne vor seinen Augen tanzen.
    Änne sah ihn voller Mitgefühl an. Doch als sie dabei seinen Blick auffing, senkte sie sofort die Lider.
    Rasch schob sie mit ihren eiskalten Fingern den unteren Teil des Kettenhemdes hoch, entknotete

Weitere Kostenlose Bücher