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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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die Riemen, die seine Kettenbeinlinge hielten, zerschnitt mit dem Messer einen gepolsterten Beinling und legte die Wunde frei.
    Vorsichtig fühlte sie nach der Pfeilspitze, so sanft, dass er es trotz der Schmerzen im ganzen Bein kaum spürte. Dann setzte sie die Apparatur auf, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht, umklammerte damit das stumpfe Ende der Spitze und zog sie heraus.
    Dabei wurde die Wunde noch weiter aufgerissen. Ulrich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Nun sprudelte das Blut nur so hervor.
    »Presst Eure Hand darauf«, forderte sie den Verletzten auf.
    Dann sah sich Änne suchend um. Ulrich dachte, sie ersehne die Ankunft des Feldschers, weil sie nun nicht weiterwusste. Völlig unerwartet sprang sie auf und rannte zwischen den Kämpfern hindurch, immer geduckt hinter den Zinnen.
    Dabei prallte sie gegen Markus, der sie entgeistert anstarrte.
    »Verschwinde hier, rasch! Gleich kommen die Nächsten!«, schrie er sie an.
    Sie schüttelte nur den Kopf und hockte sich neben eine der Feuerstellen, über denen das Pech erhitzt wurde. Ulrich sah, wie sie das Kautereisen hineinhielt, um es auszuglühen, während Markus sich vor sie stellte und sie mit seinem Leib schützte. Dann rannte sie zurück und drückte das glühende Eisen dem immer noch verblüfften Kommandanten auf die Wunde.
    Der Schmerz und der Geruch nach verbranntem Fleisch waren unbeschreiblich. Aber bald versiegte der Blutstrom.
    »Es tut mir leid, dass ich Euch Schmerzen bereiten muss«, murmelte sie, während sie Leinenstreifen mit einer Tinktur tränkte und über seine Wunde band. Es brannte wie Feuer.
    »Wo hast du das gelernt?«, fragte er sie, um sich selbst abzulenken.
    »Vom Feldscher … Wir haben so viele Verletzte, dass er nicht alle gleichzeitig behandeln kann.«
    »Leg mir den Verband richtig straff an; ich muss mich gleich wieder vor meinen Männern zeigen«, meinte er.
    Sie wollte etwas einwenden, aber ein Blick von ihm ließ sie verstummen.
    »Es ist ein schlechtes Omen, wenn die Männer glauben, ihr Anführer sei gefallen oder nicht mehr für den Kampf tauglich.«
     
    Als der Angriff endlich abgeflaut war und Ruhe einkehrte, nahm Ulrich alle Kraft zusammen und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen zu seinem Quartier. Dort ließ er sich von Roland helfen, die Rüstung abzulegen, und sank auf das Bett, kaum dass sein Knappe gegangen war. Er war zu Tode erschöpft, doch die brennenden und pochenden Schmerzen ließen ihn an Schlaf nicht einmal denken.
    Es klopfte, und auf seinen Ruf trat Markus ein, verneigte sich und zog das Apothekermündel in die Kammer, das einen Zinnbecher trug, aus dem Dampf emporstieg.
    »Es ist ein mildes Mittel, Herr«, erklärte sie ungefragt mit gesenktem Blick. »Es wird Euch helfen, trotz der Schmerzen Schlaf zu finden. Doch wenn Gefahr drohen sollte, werdet Ihr mühelos wach und bei klarem Verstand sein.«
    Er roch vorsichtig an der heißen Flüssigkeit; kein Wein, sondern ein Sud aus irgendwelchen Kräutern, die er nicht benennen konnte.
    An Markus’ Gesicht erkannte er, dass dies wohl seine Idee gewesen war, und die Sorge der beiden berührte ihn.
    In vorsichtigen, kleinen Schlucken trank er.
    Währenddessen schlug sie mit seiner Erlaubnis die Decke zurück und musterte sein Bein. Der Verband saß noch fest. »Gott schenke Euch schnelle Genesung!«, verabschiedete sich Markus und ging mit Änne zusammen wieder hinaus.
    Ulrich ließ sich erneut auf das Laken fallen.
    Der Trank schien wirklich die Schmerzen zu lindern, abgesehen davon, dass ihm die Wärme guttat. Müdigkeit zog seine Lider herab.
    Doch bevor er einschlief, hörte er noch die geflüsterte Unterhaltung zwischen Markus und Änne hinter der Tür.
    »Es tut mir leid, dass ich vorhin so grob zu dir war«, entschuldigte sich der Hauptmann der Wache bei dem Mädchen. »Aber ich hab mir Sorgen um dich gemacht.«
    Sie schien nichts zu erwidern, denn nach einer kurzen Pause sagte Markus: »Geh jetzt auch schlafen. Du siehst furchtbar müde aus.«
    Diesmal vernahm Ulrich als unfreiwilliger Lauscher ihre leise Antwort.
    »Ich will nicht schlafen … Ich träume furchtbare Dinge.«
    Das geht uns wohl fast allen so, dachte Ulrich bitter. Wir sind umgeben von zehntausend bewaffneten Feinden, die jeden Tag die Stadt einnehmen konnten, und unter ständigem Beschuss. Wer schlief da noch ruhig?
    »Von Bewaffneten, die zu Hunderten in die Stadt strömen und dann dort furchtbar wüten«, wisperte das Mädchen weiter. »Und der

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