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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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ganze Obermarkt ist voller Blut …«
    Ulrich entging die Antwort, denn ihm fielen sofort Sibyllas Worte wieder ein: dass dieses unscheinbare, verängstigte Mädchen, das gerade mit erstaunlichem Geschick seine Verletzung behandelt hatte, aus einem Geschlecht von Frauen mit dem zweiten Gesicht stammte.
    Mit einem Mal verspürte er den glühenden Schmerz im Herzen und nicht im Bein.

Der Durchschlupf
    H ans Lobetanz wartete, bis es dunkel war und wie jede Nacht Feuer und Steine auf die Stadt geschleudert wurden.
    Der dumme Oheim und seine hässliche Frau würden jetzt wohl wieder zähneklappernd aus Angst um ihren Besitz vor dem hölzernen Kreuz in der Kammer knien und beten. Das Gesinde hatte sich verkrochen und würde die neugierigen Nasen nicht herausstrecken vor Sorge, es könnte ein Brandpfeil hineinfahren.
    Leise vor sich hin lachend, schlich er sich hinaus.
    Im Geheimfach seines Onkels hinter der Wand – oder dem, was dieser Narr für ein Geheimfach hielt – hatte er acht Mark Silber in Barren gefunden. Das war mehr, als ein Töpfer oder Färber sein ganzes Leben lang verdienen konnte. Der Alte musste wohl gute Geschäfte machen mit seinen falschen Alraunen. Das brachte Hans auf eine Idee, die ihn zusätzlich beflügelte: Vielleicht sollte er selbst solche »Alraunen« verkaufen, wenn das Silber knapp würde. Er hatte sich bei Jenzin genau abgeschaut, wie man es bewerkstelligte, dass sie echt aussahen.
    Aber vorerst besaß er ausreichend Geld.
    Mochten die feigen Ratsherren ruhig denken, dass er sein Leben für sie riskierte. Er dachte nicht im Traum daran, sich dem wilden Heer da draußen auszuliefern. Der König würde früher oder später auch so einen Weg in die Stadt finden.
    Wenn er erst in Meißen oder Dresden war, würde er sich im Wirtshaus die besten Leckerbissen kommen lassen und essen, bis er nicht mehr konnte. Und dann würde er sich im nächsten Hurenhaus ein dralles Mädchen aussuchen oder auch zwei, und die mussten ihm alle Wünsche erfüllen. Das wäre viel besser als die magere Missgeburt, die sich nun auf der Burg verkrochen hatte und dort bestimmt für sämtliche Ritter Friedrichs und noch die Wachmannschaft dazu die Beine spreizte.
    Diese Aussicht auf Braten und gefällige Huren beschäftigte seine Gedanken viel mehr als die Frage, wie er an den Belagerern vorbeikommen sollte. Dazu würde ihm schon etwas einfallen, wenn er erst draußen war.
    Geduckt lief Hans die Kesselmachergasse hinab, zur Wasserturmgasse und dann in die Jacobigasse.
    Es schneite schon wieder. Das kam seinen Absichten entgegen. Niemand würde ihn sehen, selbst seine Fußspuren würden verweht und zugeschneit werden.
    Doch ohnehin schien ihn niemand zu bemerken. Während sich in Friedenszeiten jeder verdächtig machte, der nachts durch die Gassen schlich, und Gefahr lief, vom Nachtwächter aufgegriffen zu werden, waren jetzt die Menschen voll und ganz damit beschäftigt, ihr kümmerliches Leben und ihre noch kümmerlichere Habe zu sichern. Wohin er auch schaute, hatten die Angriffe Spuren hinterlassen: halb zerstörte Häuser, verbrannte Balken, lose Steine.
    Der Apothekergeselle sah, dass in der Färbergasse Aufruhr herrschte; dort musste wohl ein Dach in Brand geraten sein. Eine Frau mit durchdringender Stimme jammerte um ihr Haus und trieb gleichzeitig ein paar Männer an, das Feuer endlich zu löschen.
    Eine Gestalt huschte geduckt an ihm vorbei, vielleicht ein Dieb, der das Durcheinander für seine eigenen Beutezüge nutzte. Doch der konnte ihm gleichgültig sein. Morgen schon würde er das alles hinter sich gelassen haben und ein Leben in Saus und Braus führen.
    Erschrocken fuhr Hans zurück, als ihm ein steinernes Wurfgeschoss direkt vor die Füße krachte.
    Es wäre wirklich bitter, nur ein paar Schritte von der Erfüllung seiner Träume entfernt noch solchem Unglück zum Opfer zu fallen.
    Endlich! Da war die Grube.
    Hans Lobetanz atmete auf. Argwöhnisch sah er noch einmal um sich, doch niemand achtete auf ihn. Nicht einmal Hunde liefen schnüffelnd herum. Die hatten sich längst verkrochen oder waren gegessen worden.
    Über zwei Leitern – oder Fahrten, wie die Bergleute es nannten – und einen Absatz kletterte er in das große Loch hinab, von dem aus die Stollen ins Erdinnere führten. Wo war nur der Eingang? Der dichte Schneefall erschwerte es ihm, etwas zu erkennen.
    Dann plötzlich wurde ihm klar, dass er direkt vor dem Mundloch stand. Kein Wunder, dass er es nicht gleich gesehen hatte; in der

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