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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Grube war seit Tagen niemand mehr gewesen.
    Erleichtert wischte er sich die nassen Haare aus der Stirn und trat in den Stollen. Hier blies wenigstens nicht mehr dieser eisige Wind. Noch ein paar Schritte, und weiter drin in der Grube war es geradezu warm im Vergleich zu draußen. Er stapfte ein paar Mal fest auf, um den Schnee von den Schuhen zu bekommen, und klopfte sich die Graupelkörner vom Umhang.
    Das Talglicht zu entzünden, bereitete ihm Mühe. Seine Hände waren klamm vor Kälte und Aufregung, und der Zunder war feucht geworden.
    Endlich glomm ein Funken, bald brannte der Docht. Ungeduldig sah Hans sich um. Dem Hauptstollen zu folgen, war nicht schwierig. Aber wo, um alles in der Welt, war der geheime Gang?
    Bald verlor Hans auf seiner Suche nicht nur jedes Zeitgefühl, sondern – was viel schlimmer war – auch die Orientierung.
    Angst kroch in ihm hoch. Hatte er sich in den engen Gängen verlaufen? Würde er nie wieder aus diesem Loch herausfinden?
    Mühsam zwang er sich zur Ruhe. Jetzt schlafe ich erst einmal, und morgen früh werde ich sehen, ob von irgendwo Tageslicht durchschimmert. Dann gehe ich entweder zurück und denke mir eine Ausrede aus, oder ich weiß, dass ich den geheimen Durchschlupf unter der Stadtmauer gefunden habe. Wenn es immer noch schneit, kann ich mich bestimmt an den Truppen vorbeischleichen. Wenn nicht, verstecke ich mich hier bis zur nächsten Nacht.
    Er trank die Hälfte von dem Bier, das er mitgenommen hatte, blies das Taglicht aus, zog seinen Umhang eng um sich und überließ sich der Dunkelheit.
     
    Hans Lobetanz erwachte vom Geräusch regelmäßig fallender Tropfen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte und welche Tageszeit draußen herrschte. Doch sein knurrender Magen sagte ihm, es könnte bereits Morgen sein.
    Seine Hände zitterten, als er nach Feuerstein und Zunder tastete. Es war vollkommen dunkel; man könnte beinahe meinen, er sei erblindet.
    Endlich Licht! Er aß ein wenig von dem Brot, und während er kaute, versuchte er, sein weiteres Vorgehen zu planen.
    Nichts an dieser Stelle kam ihm vertraut vor. Die unebenen, dunklen Wände glitzerten feucht, der Stollen war so schmal, dass selbst er Mühe hatte durchzukommen. Aufrecht stehen konnte er schon lange nicht mehr, sondern musste geduckt laufen, manchmal sogar kriechen. Dabei war er schlank, mit nicht allzu breiten Schultern.
    Die Arbeitsspuren an den Wänden verrieten durch nichts, ob dieser Stollen schon vor langer Zeit angelegt worden war oder immer noch genutzt wurde. Aber nirgendwo sah er die Reste von Kienspänen oder Eimer, mit denen Erz, taubes Gestein und Wasser nach oben befördert wurden.
    Wieder überfiel ihn panische Angst, nie mehr aus diesem finsteren, bedrückend engen Labyrinth herauszufinden.
    Doch mit der Aussicht auf ein üppiges Mahl und Huren zwang er sich zur Ruhe.
    Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Also muss ich es einfach in alle Richtungen versuchen, redete er sich zu. Und jeden Gang, in dem ich schon war, markiere ich mit einem großen Stein.
    Er ärgerte sich, nicht mehr Lichter mitgenommen zu haben. Bald kam es ihm vor, als dauere seine Suche schon einen halben Tag, ohne dass er einen Ausgang gefunden hatte. An vielen Stellen tropfte Feuchtigkeit von dem Gestein, doch hier unten war nichts davon zu hören, was oben an Bedrohlichem vor sich gehen mochte.
    Mit einem Mal flackerte die Flamme auf, dann fiel sie in sich zusammen und erlosch. Das Talglicht war vollends heruntergebrannt.
    Hans Lobetanz erschrak.
    Er war allein, und um ihn herum herrschte absolute Dunkelheit.
    Panisch tastete er an den schroffen, feuchten Felswänden entlang, und es kümmerte ihn nicht, dass er seine Hände an dem scharfkantigen Gneis aufschrammte. Er würde hier umkommen, und niemand würde je erfahren, wie jämmerlich er zugrunde gegangen war.
    Doch er wollte leben!
    Schluchzend sank er auf die Knie und begann zu beten. Inbrünstig wie noch nie flehte er Gott an, ihm seine schlechten Taten zu vergeben. Er versprach, alles gestohlene Geld der Kirche zu schenken, wenn der Allmächtige ihn nur errettete, ihn nicht sterben ließ in diesem finsteren, einsamen Loch.
    Doch Gott antwortete nicht.
    Jenzins Neffe vergrub den Kopf zwischen den Armen und heulte jämmerlich.
     
    Irgendwann erstickte das Schluchzen.
    Nun war das Aufschlagen der Tropfen in die Pfütze das einzige Geräusch, und es schien immer lauter zu werden.
    Das brachte ihn auf einen Gedanken. Wenn er etwas von dem Grubenwasser

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