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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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trank, würde er nicht so schnell verdursten.
    Vorsichtig tastete er sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam, immer bemüht, mit dem Kopf nicht an irgendwelche Vorsprünge zu stoßen. Die Wände bestanden hier aus Fels, dem die Bergleute auch mit Schlägel und Eisen nur mühsam beikamen.
    Mit der Hand schöpfte er Wasser aus der Pfütze, das einen metallischen Geschmack hatte, und trank gierig. Dann sperrte er in der Dunkelheit Augen und Ohren auf.
    Täuschte er sich, oder kam da wirklich von vorn ein Geräusch? Waren das gar entzürnte Berggeister oder Ungetüme, die sonst noch unter der Erde hausten? Würden sie über ihn herfallen? Oder narrten ihn die Berggeister, um ihn endgültig ins Verderben zu locken?
    In halber Höhe ertastete er ein Loch, einen Durchlass, wohl groß genug, dass er gerade noch hindurchkommen konnte. Er hangelte sich hoch und tastete weiter. Seine Hände stießen auf grob behauenen Gneis, an manchen Stellen mit Feuchtigkeit beschlagen; doch hier schien es weiterzugehen.
    Hoffnung schöpfend, tastete sich Hans vorwärts, bis er glaubte, einen matten Lichtschimmer zu sehen.
    Beinahe hätte er lauthals gejubelt.
    Er hatte den Durchschlupf gefunden! Im letzten Augenblick erstickte er den Schrei. Niemand durfte ihn hören.
    Es war schwierig, dem schwachen Schein zu folgen. An einer Stelle wurde der Gang so eng, dass er sich nur mit Mühe durchzwängen konnte und dafür sogar seinen Umhang ablegen musste. Doch wenn er sich auch den Kittel zerriss und die Haut zerkratzte – das Wagnis hatte sich gelohnt. Zwanzig Ellen noch, und er musste draußen sein. Die Frage war nur, wo.
    Allmählich wurden die Konturen des Stollens sichtbar, durch den er sich zwängte. Er fragte sich, wie hier wohl je ein Häuer durchgekommen sein mochte. Wahrscheinlich hatte man Kinder hierhergeschickt. Das Silbererz in den Gängen, wenn man es erst einmal gefunden hatte, ließ sich im Vergleich zum Gneis leicht brechen. Doch sich durch das taube Gestein zu arbeiten, war hier in den Erzgruben unglaublich mühsam und brachte selbst einem erfahrenen Bergmann kaum mehr als eine Elle Vortrieb pro Woche.
    Der Gang wurde noch schmaler. Schon wollte die Angst über ihm zusammenschlagen, kurz vor der rettenden Öffnung stecken zu bleiben. Doch eines wusste er genau: Zurück würde er niemals kriechen. Er schob sich über die flache, kantige Strecke, und es war ihm gleichgültig, ob er sich die Haut vom Leibe schürfte.
     
    Die Öffnung, kein richtiges Mundloch, sondern lediglich ein schmaler Spalt, der von draußen auch als Fuchs- oder Kaninchenbau gelten mochte, war von Schnee zugeweht. Ein winziger Riss hatte sich gebildet, durch den das Tageslicht schimmerte – vielleicht, weil ein Teil der Schneelast weggebrochen war.
    Hans schob sich mit einem letzten Ruck vor, dann konnte er den Schnee mit den Händen beiseiteschaufeln.
    Endlich raus aus diesem Loch, hinaus in die Freiheit!
    Er hatte kaum die Schultern durch den Spalt gezwängt, als er von hinten gepackt und herausgezerrt wurde.
    »Nun sieh dir das einmal an! Da hat sich doch wirklich eine Ratte aus dem Nest geschlichen!«
    Jemand stellte ihn grob auf die Füße und drehte ihn herum.
    Als Hans Lobetanz erkannte, in welcher Lage er sich befand, hätte er sich vor Angst beinahe in den Schnee übergeben. Er stand hier irgendwo zwischen Stadtmauer und Donatssiedlung und war den feindlichen Wachen direkt in die Hände gelaufen.
    Nun, dann musste er eben seinen Plan ändern und ausführen, was ihm der Oheim aufgetragen hatte. Vielleicht würde sich der König erkenntlich zeigen. Bestimmt sogar. Schließlich verdankte er es
ihm
, einem Apothekergesellen, wenn er das widerspenstige Freiberg einnehmen konnte.
    Er drehte sich zu einem der Männer um; dem Kleineren von ihnen, der ihm nicht ganz so grimmig erschien; und wollte etwas sagen. Doch der hieb ihm nur die Faust in den Rücken und stieß ihn weiter vorwärts. »Halt’s Maul, du Laus!«
    Die beiden Männer, der Kleidung nach Söldner, dem Dialekt nach aus einer weit entfernten Gegend, brachten ihn zum Lager. Hans kam in seiner Angst nicht einmal auf die Idee nachzudenken, was es bedeuten mochte, dass sie ihm nicht die Augen verbanden. Stattdessen schöpfte er sogar Hoffnung aus dem Umstand, dass man ihn nicht gefesselt hatte.
    Notfalls muss ich mich mit dem gestohlenen Silber freikaufen, überlegte er. Bis nach Meißen oder Dresden werde ich schon kommen, auch ohne Geld und Umhang – nur fort von hier, weit

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