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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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nehmt euch der Kinder an, die ihre Eltern verloren haben!«
    Ulrich versuchte einzuschätzen, wie viele der Männer unter den hierhergeflüchteten Stadtbewohnern im kampffähigen Alter waren. Morgen, vielleicht sogar noch vor Ablauf dieses Tages, würden sie auch alte Männer und halbwüchsige Burschen bewaffnen und ins Kampfgewühl schicken müssen.
    Über Kapitulation sprachen er und Niklas erst gar nicht. Was sich derzeit in den Gassen Freibergs abspielte, erübrigte jeglichen Gedanken daran.
    Wenn der Markgraf nicht noch mit einem starken Heer auftauchte – die Hoffnung, dass dieser oder jener Fürst Friedrich unterstützte, weil er sich vom König bedroht fühlte, wollte entgegen aller Vernunft keiner von ihnen aufgeben –, mussten sie versuchen, Zeit zu gewinnen.
    Zeit, damit sich die Lage etwas beruhigte und um Adolf klarzumachen, dass er die Burg nicht im Handstreich und nicht ohne große Verluste einzunehmen vermochte. Vielleicht ließ sich dann für die Stadtbewohner freier Abzug aushandeln.
    Ulrichs Blick fiel auf den rothaarigen Burschen, der nun Rotz und Wasser heulte. Doch als der Junge ihm das Gesicht zuwandte, erkannte Ulrich, dass nicht Angst oder Schrecken, sondern die schiere Wut ihm so zusetzte.
    Schon kam der Junge auf ihn zu. »Das zahle ich denen heim! Dafür sollen sie im neunten Kreis der Hölle büßen!«
    Er wischte sich mit dem Ärmel das verschmierte Gesicht ab, dann sagte er: »Nicht wahr, Herr, das zahlen wir ihnen heim?! Bitte, lasst mich kämpfen! Gebt mir ein Schwert!«
    »Du wirst eines bekommen. Noch heute«, sagte Ulrich düster.
     
    Während sich Niklas von Haubitz von Änne die Hand verbinden ließ, begann Ulrich von Maltitz, gemeinsam mit Markus und Hildegard etwas Ordnung in das Gewimmel auf der von wehklagenden Flüchtlingen und erschöpften Kämpfern überfüllten Burg zu bringen.
    Überall saßen oder standen übernächtigte Menschen im Schnee, kraftlos gegen die Mauern gelehnt, auf der Suche nach Freunden oder Verwandten umherirrend, vor Wut oder Verzweiflung weinend, betend, frierend, sich gegenseitig tröstend.
    Einige drängten sich zu ihnen durch, um niederzuknien und für die Rettung zu danken.
    »Gott segne und schütze Euch«, sagte unter Tränen eine alte Frau, in der Ulrich jene Korbmacherwitwe wiedererkannte, die ihm ihren Rosenkranz geschenkt hatte. Es schien ihm eine halbe Ewigkeit her, dabei waren es gerade einmal zwei Wochen.
    Eine junge Frau mit einem Säugling auf dem Arm zwängte sich zwischen den Verzweifelten durch und erbat seinen Segen. »Hier sind wir doch in Sicherheit, nicht wahr, Herr?«, fragte sie, das Schluchzen mühsam unterdrückend. »Hier können sie uns doch nichts antun?«
    »Wir werden euch beschützen«, versprach er und fühlte sich schlecht dabei, ihr nur einen Teil der Wahrheit zu sagen.
    »Danke, Herr, danke!«, rief sie, während Tränen über ihre Wangen liefen.
    Ulrich zwang sich dazu, den Blick von ihr und all den anderen Wehrlosen loszureißen, die sich nun auf Gedeih und Verderb darauf verließen, dass er sie zu schützen vermochte. Würde er ihr Leben bewahren können?
    Für wie lange?
    Neben ihm fragte Markus jemanden von der Burgmannschaft: »Weißt du, wo mein Bruder steckt? Schick ihn schleunigst zu mir, wenn du ihn siehst!«
    Der andere blickte ihn erst erstaunt, dann betreten an. »Du weißt es nicht …?«
    »Was? Was weiß ich nicht?«, fuhr Markus ihn ungeduldig an.
    »Er gehörte zu denen im letzten Schildwall … Es tut mir leid, wirklich …« Der Mann senkte den Kopf und schlug ein Kreuz. Auch Ulrich bekreuzigte sich.
    Markus erstarrte für einen Moment, seine Gesichtszüge versteinerten. Von Maltitz legte ihm eine Hand auf die Schulter. Es hatte zu viele Tote in dieser Nacht gegeben, als dass er um jeden Einzelnen trauern konnte. Dennoch tat es ihm leid um den jungen Böhmen.
    Nur – jetzt gab es viel zu viel auf einmal zu tun, als dass er länger darüber nachdenken durfte. Er musste sich einen Überblick verschaffen, wie viele Kämpfer und Flüchtlinge Freiheitsstein nun beherbergte. Die Stadtbewohner mussten beruhigt und trotz aller Enge untergebracht werden, die Bewaffneten ihre Wunden versorgen, ihre Schwerter schärfen und neue Pfeile holen. Und sie alle brauchten zu essen, zu trinken und noch dringender etwas Schlaf, denn schon bald würden Adolfs Truppen mit aller Macht gegen die Burg anstürmen.
    Zuallererst aber galt es, ein unausweichlich gewordenes Gespräch zu führen. Als Ulrich Niklas mit

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