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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verbundener Hand aus dem Prägehaus kommen sah, ging er – das verletzte Bein immer stärker nachziehend – direkt auf ihn zu.
    Seine Wunde schmerzte mittlerweile so sehr, dass er versucht war, mit Schritten zu geizen. Aber auch darum durfte er sich jetzt nicht kümmern.
    »Wir müssen reden.«
    Niklas nickte nur. Sein scharf geschnittenes Gesicht wirkte eingefallen und grau unter der Kettenhaube. Wahrscheinlich sehen wir alle so aus, dachte Ulrich für einen kurzen, müßigen Moment.
    Was spielte es für eine Rolle, wie sie aussahen?
    Doch es spielte eine. Sie mussten Burgbesatzung und geflüchtete Stadtbewohner davon überzeugen, dass sie hier nicht in einer tödlichen Falle saßen, weil früher oder später die Burg doch genommen würde, sondern dass sie geschützt waren. Vorerst zumindest.
    Ulrich schickte seinen Knappen aus, um nach Reinhard von Hersfeld zu suchen, dann entschied er, auch Markus zur Beratung hinzuzuziehen. Er hatte gelernt, auf die Tüchtigkeit des jungen Hauptmanns zu vertrauen, der schneller als manch gestandener Kämpfer erkannte, was gerade nötig war.
    »Wir werden nachher gemeinsam ein Gebet für das Seelenheil deines Bruders sprechen«, versprach er.
    Was jetzt, in den frühen Morgenstunden des Sonntags, sonst noch zu regeln war, damit eine gewisse Ordnung auf der Burg einzog, das mussten sie vorerst Hildegard und dem Kaplan überlassen.
     
    Reinhard von Hersfeld war der Letzte, der die Kammer betrat. Wie Ulrich erst jetzt sah, hatte er zwei Finger der rechten Hand verloren. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
    Ulrich atmete tief durch. »Ich habe eine geheime Order vom Markgrafen mitbekommen, als ich hierherritt. Wenn er binnen einundzwanzig Tagen nach Ankunft des königlichen Heeres keine Verstärkung schickt, sollen wir Stadt und Burg übergeben.«
    Nacheinander sah er zu den drei Männern, mit denen er gemeinsam die belagerte Burg zu halten hatte. Zumindest noch sechs Tage.
    Niemand sagte etwas.
    Wahrscheinlich kam diese Eröffnung für keinen von ihnen unerwartet. Markgraf Friedrich war ein vorausschauender, nüchtern denkender Mann und hatte Vorsorge getroffen.
    Die Aussicht auf ein Entsatzheer war gering. So stark befestigt Freiheitsstein auch sein mochte – gegen eine Armee von zehntausend Söldnern, die grimmig entschlossen waren, das Widerstandsnest auszuräuchern und die reiche Stadt zu plündern, würden sie sich nicht ewig halten können.
    Zwar hatten sie dank des Brunnens genug Wasser, aber irgendwann würden die Vorräte an Proviant und Pfeilen ausgehen und selbst die dicksten Mauern unter dem ständigen Beschuss bersten.
    »Das heißt, wir müssen nicht sparen«, fuhr Ulrich fort. »Wir teilen alles so ein, dass wir uns sechs Tage halten. Auch das Essen. Wir werden alles Vieh bis auf die Pferde schlachten. Sollen ihnen der Bratenduft und die abgenagten Knochen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.«
    Es war eine beliebte Methode in Kriegszeiten, den Feind auf diese Art wissen zu lassen, dass die Belagerten über ausreichend Vorräte verfügten und nicht so leicht auszuhungern waren.
    »Meine Bogenschützen sind bereit«, ließ sich Markus vernehmen, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn der Tod seines Bruders getroffen hatte. »Unter den hierher Geflüchteten sind einige Handwerker, die Pfeile und Bolzen fertigen können. Ich habe sie angewiesen, sofort mit der Arbeit zu beginnen.«
    »Gut. Du kennst die Leute hier. Ist sonst noch jemand unter ihnen, der uns mit seinen Fähigkeiten helfen kann?«
    »Diejenigen hat sich Hildegard schon rausgesucht und eingeteilt. Wir müssen die Alten und auch die größeren Knaben bewaffnen. Ihnen vor allem Mut machen. Die meisten fürchten sich.«
    Sie haben auch allen Grund, sich zu fürchten, dachte Ulrich. Doch Markus hatte recht. Was die Menschen hier wohl noch dringender als Nahrung oder Schlaf brauchten, war Trost angesichts dessen, was sie in dieser Nacht selbst durchlitten hatten oder mit ansehen mussten und was sie von der Zukunft befürchteten.
    »Gehen wir«, schlug er vor und stemmte sich hoch. Die Pfeilwunde pochte und fühlte sich mittlerweile heiß an. Er war versucht nachzusehen, ob sie sich entzündet hatte oder gar brandig wurde. Aber das war jetzt nicht wichtig.
    Sechs Tage musste er überleben, und so schnell würde er hoffentlich nicht am Wundbrand sterben.
    Danach war sein Leben ohnehin verwirkt. Darüber gab er sich keinen falschen Hoffnungen hin. Es bestand kein Anlass, darauf zu vertrauen,

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