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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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dass König Adolf dem Mann Gnade gewähren würde, der eine vom königlichen Heer belagerte Burg kommandierte und den Widerstand organisierte.
    Nur noch diese sechs Tage hatte er durchzuhalten, um wenigstens denen das nackte Leben zu retten, die auf die Burg geflüchtet waren, weil sie auf seinen Schutz vertrauten. Dann musste er seine Seele Gott anempfehlen.
     
    Ulrich fühlte die besorgten Blicke von Niklas, Reinhard und Markus auf sich, als er sich an der Mauer abstützte, um humpelnd die Treppe hinab auf den Burghof zu gelangen. Als sie unten in der Halle angekommen waren, biss er die Zähne zusammen, um sich möglichst wenig von dem flammenden Schmerz anmerken zu lassen, der bei jedem Schritt durch seinen Körper jagte.
    Die Halle war so voll, dass kaum Platz zum Gehen blieb. Von allen Seiten waren leises Klagen oder Schluchzen zu hören, Mütter, die beruhigend auf ihre heulenden Kinder einsprachen, verzweifelt gesprochene Gebete.
    Hildegard kam auf ihn zu. »Es sind jetzt an die sechshundert Seelen auf der Burg«, sagte sie. »Zweihundert bewaffnete Kämpfer, der Rest sind Flüchtlinge aus der Stadt, zumeist Frauen und Kinder. Wenn ich die Vorräte sparsam einteile, reichen sie für vier Wochen, vielleicht auch fünf, wenn wir den Gürtel enger schnallen.«
    Ulrich musterte kurz ihr Gesicht und fragte sich, woher die Witwe wohl die Kraft nahm, bei alldem noch den Überblick zu behalten und ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie hatte in den letzten Tagen ihren Mann verloren, der ihr nicht gleichgültig gewesen sein konnte, so, wie er sie am Sterbelager seines Vorgängers angetroffen hatte, einer ihrer Söhne war verwundet worden, sie hatte das Gemetzel in der Stadt mit ansehen müssen und wie alle hier den nahen Tod vor Augen.
    Doch selbst jetzt saß ihr Gebende tadellos, und nichts an ihrer Miene ließ Hoffnungslosigkeit oder Angst erkennen.
    »Wir müssen nicht sparen«, sagte er so leise, dass nur Hildegard es hören konnte.
    Ein Gewitterleuchten zog über das Gesicht der Witwe, ehe sie ebenso leise sagte: »Ich verstehe. Wie lange?«
    »Sechs Tage.«
    »Also gibt es heute Braten. Es wäre schade, wenn das denen dort« – sie wies mit dem Kopf verächtlich irgendwohin nach draußen, aber es waren unmissverständlich Adolfs Männer gemeint – »in die Mörderhände fiele.«
    »So sei es«, sagte Ulrich. Er nickte ihr dankbar zu, dann ging sie los, um Anweisungen zu erteilen.
     
    Obwohl Ulrich jeder Schritt Höllenqualen bereitete, zog es ihn mit einem ganz anderen Anliegen ins Prägehaus, als sich neu verbinden zu lassen. Auf halber Strecke allerdings wurde ihm klar, dass er nicht mehr dorthin kommen würde, wenn er danach noch aus eigener Kraft vor den Menschen auf der Burg stehen wollte, um ihnen Mut zuzusprechen.
    »Schick die Gauklerin aus dem Lazarett zum Brunnen, sie soll dort auf mich warten«, wies er ein junges Mädchen mit blonden Zöpfen an.
    Während sie loslief, bahnten sich Ulrich und seine Begleiter den Weg über den Burghof zum Brunnen, vor dem immer noch der große Gesteinsbrocken lag.
    Die meisten Menschen traten ehrfürchtig beiseite, als sie die drei Ritter des Markgrafen erkannten: Ulrich von Maltitz, Niklas von Haubitz und Reinhard von Hersfeld. Doch auch jetzt drängten sich etliche zu ihnen durch, um ihnen für die Rettung zu danken und die Hand oder den Saum ihrer blutverschmierten Wappenröcke zu küssen.
    Sibylla erwartete ihn schon am Brunnen und kniete vor ihm und seinen Begleitern im Schnee nieder. Ihm entging nicht, dass sich dabei ihr skeptischer Blick an seinem verletzten Bein festhakte. War die Wunde wieder aufgebrochen? Aber er konnte jetzt nicht nachschauen, ob unter dem Kettengeflecht Blut zu sehen war, das die Beinlinge rot färbte.
    Er bedeutete ihr aufzustehen und musterte ihr Gesicht, das inzwischen von den äußerlichen Verletzungen geheilt war und eher entschlossen als müde wirkte, obwohl sie sicher in dieser Nacht nicht zum Schlafen gekommen war.
    »Ich bitte dich, den Menschen hier auf irgendeine Art Mut zu machen«, sagte er halblaut und wies mit dem Kinn auf die verängstigt und hoffnungslos wirkenden Stadtbewohner, die den Burghof füllten. Spätestens, wenn die Truppen des Königs gegen die Mauern der Burg anstürmten, würden die meisten von ihnen vollends verzweifeln.
    Skeptisch sah Sibylla ihn an, und ihm war, als könne er ihre Gedanken lesen. Wie sollte sie den Menschen hier ein langes, glückliches Leben voraussagen?
    Sie blickte ihm direkt in die Augen,

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