Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
die Beichte ab, und dann sucht euch in der Rüstkammer aus, was ihr noch braucht!«, befahl er.
    Bevor die jungen Ritter losgehen konnten, stieg zu seiner Verblüffung Sibylla auf den Stein.
    Und in das Schweigen hinein sang sie mit klarer und immer lauter werdender Stimme ein Lied.
    Es kümmerte Sibylla nicht, dass ihr als Frau das Singen verboten war. Sie war eine Gauklerin und galt damit ohnehin als Nichts, als weniger denn Nichts, als unehrlich Geborene und Verdammte.
    Aber, in Gottes Namen, sie war eine Gauklerin und genau in diesem Moment stolz darauf. Sie wusste, wie man die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnt und die Zuhörer mitreißt. Sie kannte die Lieder, die ihr Geliebter einst gesungen hatte, die alten Heldensagen und die Weisen, mit denen die Spielleute seit Menschengedenken von Mut und großen Taten berichteten. So sang sie eine davon.
    Für sich, für Ulrich, für die Menschen auf dem Burghof. Für ihren toten Geliebten.
     
    Nun wurden auf dem Burghof Spieße und Armbrüste auch an die Graubärtigen und Kahlen und an die Halbwüchsigen ausgeteilt. Ulrich von Maltitz hielt Wort: Er sorgte persönlich dafür, dass der junge Christian ein einfaches Schwert bekam.
    Auf Ulrichs Aufforderung hin hatten sich mehrere Dutzend Frauen bereit erklärt, den Kämpfern auf der Mauer zu helfen und Wasser heranzuschleppen und zu erhitzen, damit es auf die Angreifer geschüttet werden konnte. Sämtliche Vorräte an Pech waren in den zurückliegenden zwei Wochen aufgebraucht worden.
    Erschöpft sah er zu, wie die Alten und die ganz Jungen ihre Waffen in Empfang nahmen. Die erfahrenen Kämpfer hatten inzwischen längst nach einem Platz gesucht, um sich etwas Schlaf zu gönnen. Wenn der nächste Angriff auf die Burg begann, würde jede Hand gebraucht werden.
    Ulrich überlegte, ob er zuerst seine Wunde kontrollieren oder mit Markus in die Kapelle gehen sollte, um dort für das Seelenheil der Gefallenen und für die Menschen zu beten, die sich ihm anvertraut hatten.
    Niklas von Haubitz erriet seine Gedanken. »Sieh zu, dass du etwas Schlaf vor dem nächsten Angriff findest«, ermahnte ihn der Gefährte. Dann legte er ihm den Arm auf die Schulter. »Und vorher lass dieses Apothekermädchen nach deiner Wunde sehen.«
    Bevor Ulrich etwas einwenden konnte, fügte er hinzu: »Du hast recht, sie ist wirklich gut darin. Also geh schon!«
    Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte Ulrich Richtung Prägehaus.
     
    Als er den Raum betrat, sah er dort zunächst nur fremde Frauen; Stadtbewohnerinnen, die Hildegard eingeteilt hatte, um dem Feldscher zur Hand zu gehen. Nachdem sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, entdeckte er auch Jenzins Mündel. Zusammengerollt schlief sie in einer Ecke, ihre Lider flackerten unruhig, sie stöhnte im Schlaf, ohne dass er eines der Worte verstehen konnte, die ihr unbewusst über die Lippen kamen.
    Das Tuch war verrutscht, das sonst immer ihr Haar bedeckte, so dass er zum zweiten Mal die kupferfarbenen lockigen Strähnen sehen konnte, die ihr Gesicht umrahmten. Sie kam ihm so noch zarter und zerbrechlicher vor, beinahe ein Kind, und er fragte sich voller Bitterkeit, was sie wohl diesmal Schreckliches träumte und ob es wahr werden mochte.
    Sibylla kam von draußen, mit zwei Eimern Wasser beladen, stellte sie sofort ab und ging zu ihm.
    »Soll jemand nach Eurer Wunde sehen, Herr?«, fragte sie, um gleich darauf leiser fortzufahren: »Sie heilt nicht gut, nicht wahr? Dann wecke ich Änne. Die weiß am besten, was dann zu tun ist.«
    Sie rüttelte die Schlafende sanft am Arm. Sofort hellwach, fuhr Änne hoch und sah sich mit schreckensweiten Augen um. Dann erreichten Sibyllas leise geflüsterten Worte ihren Verstand. Ihre Züge glätteten sich, sie stand rasch auf und verknotete das angesengte Kopftuch neu.
    Schüchtern trat sie zu Ulrich. »Erlaubt, dass ich rasch meine Hände am Brunnen wasche, bevor ich mir die Wunde ansehe.«
    Entschuldigend fügte sie an: »Das hat mir meine Mutter beigebracht, bevor sie starb.«
    Als sie hinausgegangen war, richtete Sibylla erneut das Wort an den Burgkommandanten.
    »Darf ich Euch um etwas bitten, Herr?«
    Verwundert überlegte Ulrich, was wohl ihr Anliegen sein konnte.
    Sie sah ihm direkt in die Augen. »Wenn die Burg eingenommen wird … Ich will denen nicht noch einmal lebend in die Hände fallen. Werdet Ihr dafür sorgen?«
    Er wollte etwas entgegnen, ihr widersprechen, aber ihre Miene ließ keinen Zweifel daran, dass sie es bitterernst

Weitere Kostenlose Bücher