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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Sie fanden ein Kind, das halberfroren in einer Ecke lag, und eine beinahe nackte Frau, die mit flackerndem Blick durch die Gasse torkelte, bis sie zusammenbrach und in Meister Conrads Armen starb.
    Und dann entdeckten sie, begraben unter den Körpern ihrer gefallenen Gefährten, zwei Männer der Stadtwache, die schwerverletzt überlebt hatten. Ob sie durchkommen würden, war nicht vorauszusagen. Aber der störrische Stadtphysicus hatte es sich zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen.
    Jetzt wachte er bei ihnen in der Sakristei, um eingreifen zu können, falls sie im Schlaf vor Schmerz laut aufstöhnten. Dabei betete er stumm, dass niemand von Adolfs Leibwachen auf den Gedanken kam, den kleinen Raum zu durchsuchen. Dann wäre sein Leben ebenso wie das seiner Patienten verwirkt. Doch durch ihre Überzahl fühlten sich die Eindringlinge anscheinend sicher.
    Sich versteckt zu halten, war zwar gefährlich für Conrad Marsilius, aber mit der ihm eigenen Bissigkeit tröstete er sich damit, dass es ihm so erspart blieb, vor diesem König auf die Knie zu sinken, wie es seine Pflicht gewesen wäre.
     
    Nach der Messe wies der König an, die Glocken zu läuten und die Bürger Freibergs auf den Oberen Markt zu befehlen.
    »Und bringt mir den Rat und den Bürgermeister! Ich will sie auf Knien vor mir sehen!«
    Sofort eilten ein paar seiner Männer los. Sie schienen genau zu wissen, wo sie zu suchen hatten. Berittene schwärmten aus, um laut zu verkünden, der König wünsche die Bewohner Freibergs zu sehen, und niemand müsse um sein Leben fürchten, der dem König und rechtmäßigen Herrn der Stadt seinen Gehorsam bezeuge.
    Der Markt füllte sich nur langsam mit Menschen, die aus ihren Häusern herausgetrieben worden waren.
    Unter den drohenden Blicken der Bewaffneten stellten sie sich vor dem Rathaus auf, so weit wie möglich vom Nassauer und dessen Männern entfernt, die ihnen gegenüber vor der Petrikirche standen: links und rechts vom König Ritter in prunkvollen Wappenröcken, an den Seiten und dahinter bis an die Zähne bewaffnete Söldner.
    »Kniet nieder vor Adolf von Nassau, dem von Gott auserwählten König!«, befahl der Marschall schroff.
    Die Menschen gehorchten.
    Lange herrschte Schweigen auf dem Marktplatz, verharrten die Freiberger demütig und voller Angst vor dem Herrscher auf den Knien, dessen Männer heute Nacht so blutig in ihrer Stadt gewütet hatten. Welche weitere Strafe würde er über sie alle verhängen?
    Endlich erlaubte der Marschall ihnen, sich wieder zu erheben.
    »Übergebt die Schlüssel zur Stadt!«, rief der König über den Platz.
    Nikol Weighart wusste, was nun seine bittere Pflicht war. Er atmete tief durch und sprach ein kurzes Gebet. Dann löste er sich aus der Reihe und schritt nach vorn. Der Obere Markt war ihm noch nie so groß vorgekommen.
    Zehn Schritte vor dem König hielt er inne, kniete nieder, senkte den Kopf und hielt Adolf von Nassau mit beiden Händen die Schlüssel entgegen.
    »Königliche Hoheit.«
    Statt die Schlüssel von einem seiner Gefolgsleute entgegennehmen zu lassen, ließ der König ihn so knien, mit ausgestreckten Händen und gesenktem Kopf. Nikol spürte, wie durch seine Körperwärme der Schnee unter ihm schmolz und seine Beinlinge durchnässte.
    Unter demütig gesenkten Lidern versuchte er vorsichtig, das Gesicht des Königs zu mustern. Es stimmte, was die Leute sagten: Adolf von Nassau war ein schöner Mann, mit ebenmäßigen Zügen und gut gewachsen. Doch für Nikol Weighart war er ein Ungeheuer.
    »Bist du der Bürgermeister?«, fragte der König.
    »Ja, Euer Majestät«, antwortete Nikol ruhig, der es nicht über sich brachte, ihn mit »Mein König« anzureden. Dies war nicht
sein
König, denn er behandelte seine eigenen Untertanen erbarmungslos wie einen Feind, statt sie zu schützen.
    »Ich sehe hier einen vor mir knien statt zwölf. Wo sind die übrigen Ratsherren?«
    Ohne sich umzudrehen, hörte Nikol die anderen vortreten und hinter ihm niederknien.
    »Das sind immer noch nur elf. Wo ist der Zwölfte? Wer wagt es, sich seinem König zu verweigern?«
    »Meister Conrad Marsilius fehlt noch, wohledler König«, erklang unterwürfig die Stimme des Kramermeisters. »Er kümmert sich um die Kranken.«
    Nikol fuhr zusammen. Doch noch ehe jemand etwas erwidern konnte, hörte er von weiter hinten Conrads Stimme. »Lasst mich durch!«
    Der Bürgermeister atmete auf. Jemand musste den Arzt gewarnt haben. Wenn der König ihn erst aus dem

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