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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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meinte.
    »Wenn Ihr es nicht selbst tun könnt, beauftragt einen Eurer Leute damit.«
    Ulrich wusste, dass sie ihm keine Ausflüchte durchgehen lassen würde. Wenn er sich in Erinnerung rief, in welchem Zustand sie hier eingetroffen war und was sich vorige Nacht in der Stadt abgespielt hatte, dann konnte er ihren Wunsch sogar verstehen. Doch dieses Versprechen durfte er nicht geben.
    »Du sollst nicht töten«, erinnerte er sie an Gottes Gebot.
    Sie schnaubte verächtlich. »Wie viele Tote hat es heute Nacht gegeben? Und hat es Gott gekümmert?«
    Er sollte sie jetzt eigentlich zurechtweisen, Gott nicht zu lästern. Doch seine Gedanken liefen unfreiwillig in eine andere Richtung. Ulrich versuchte sich vorzustellen, wie er seinen Dolch in ihr Herz stieß, um ihr weitere Schande zu ersparen.
    Er hatte in seinem Leben schon viele Menschen getötet. Das aber konnte er nicht tun.
    »Gott prüft uns mit dem, was er uns auferlegt«, versuchte er, an ihren Lebenswillen zu appellieren. »Bist du nicht stark genug, um weiterleben zu wollen?«
    »Offensichtlich seid Ihr zu schwach, ein Weib zu töten«, stieß sie verächtlich hervor. »Ich hätte mehr von Euch erwartet.«

Die Befehle des Königs
    A uf königliche Order läuteten am Sonntagmorgen die Glocken von St. Marien, als Adolf von Nassau in Begleitung seiner ranghöchsten Gefolgsleute in die Stadt einzog.
    Sie alle waren überaus prunkvoll gekleidet: voran zwei Dutzend Reiter mit dem Banner des Königs, gefolgt von der Leibgarde, dann der König selbst in einem mit Goldfäden und Edelsteinen verzierten farbenprächtigen Surkot, sein Marschall und seine angesehensten Ritter.
    Von Hornsignalen angekündigt, ritten Adolf und sein Gefolge mit großem Prunk durch das Erlwinsche Tor Richtung Burg.
    Der Weg unter den Hufen ihrer Pferde war voller Blut, aber es lagen keine Leichname mehr dort. Seine Knechte hatten diejenigen, die nicht von Familienangehörigen geborgen worden waren, beiseitegeräumt, damit ihr Anblick den König nicht beleidige.
    Kein Freiberger wagte sich heraus. Den Jubel für Adolf von Nassau übernahmen seine Söldner, die links und rechts des Weges standen und Hochrufe ausstießen, bis sie vor dem König niederknieten, der ihnen die reiche Silberstadt zum Plündern versprochen und sein Versprechen gehalten hatte.
    Kurz vor der Burg musste die Kolonne scharf nach rechts abbiegen, um durch die Kirchgasse zur Marienkirche zu gelangen. Doch bevor die Reiter ihre Pferde nach rechts lenken konnten, hob der König seinen Arm zum Zeichen, dass der Zug halten sollte.
    Direkt gegenüber der Burg, nur durch einen tiefen Graben und das Fallgitter von ihr getrennt, verharrte der König und starrte hinauf, als wolle er abschätzen, wann er das letzte Widerstandsnest einnehmen würde. Er schien zu wissen oder wenigstens zu ahnen, dass dort drüben Ulrich von Maltitz und Niklas von Haubitz standen und zu ihm herübersahen.
    Die Zeit schien stillzustehen, bis Adolf endlich das Zeichen gab, weiterzureiten, nach rechts durch die Kirchgasse zur Marienkirche mit dem goldenen Portal.
     
    Pater Clemens war bereits am Morgen sehr nachdrücklich von einigen Beauftragten Adolfs »überzeugt« worden, die Sonntagsmesse für den König und seine Gefolgsleute in St. Marien zu feiern. Er erhob auch keine Einwände, als die Leibwachen entgegen allen guten Sitten nicht an der prachtvollen Kirchentür die Waffen ablegen, sondern das Gotteshaus voll gerüstet betraten. Viel eher war er erleichtert, dass seine Kirche nicht auch geplündert und die Verwundeten, die Conrad Marsilius hier behandelte, nicht abgestochen worden waren.
    Bis eben noch hatte er zusammen mit dem Stadtphysicus die Verletzten beiseitegetragen. Sie hatten kurz erwogen, sie in einem anderen Gebäude unterzubringen, doch wo? Es waren zu viele, die meisten konnten nicht laufen, und sicher waren sie nirgendwo. Sollte der König doch wenigstens einen Bruchteil von dem Leid sehen, das seine Leute hier angerichtet hatten.
    Lediglich zwei junge Männer hielten sie in der Sakristei versteckt: zwei der Kämpfer im Schildwall, die wider Erwarten schwerverwundet den Ansturm der Königlichen überlebt hatten.
    Conrad Marsilius und Pater Clemens, der alternde Arzt und der junge Priester, hatten kurz vor Tagesanbruch, als die Söldner berauscht vom Trinken und ihren Missetaten beieinanderhockten und grölend den Sieg feierten oder irgendwo in einer Ecke eingeschlafen waren, heimlich die Erlwinsche Gasse nach Überlebenden abgesucht.

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