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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zurecht und küsste sie noch einmal, diesmal inniger.
    »Fürchte dich nicht, Änne!«, raunte er, während seine Hände ihren Nacken streichelten. »Wenn wir den morgigen Tag überleben, wirst du meine Frau, und wir gehen fort von hier, in eine andere Stadt, die noch Markgraf Friedrich gehört. Such dir aus, wohin du willst – Rochlitz, Leisnig oder Grimma. Ich schwör’s, ich werde gut für dich sorgen.«
    Wird er mich jetzt auch auffordern, mit ihm in irgendeinen dunklen Winkel zu gehen?, dachte sie, zutiefst verwirrt von dem Kuss und seinen Worten. Das Herz stockte ihr bei diesem Gedanken. Aber die Gefühle, die er in ihr aufwühlte, ließen sie befürchten, dass sie nicht viel Widerstand entgegensetzen würde – auch wenn es Sünde war.
    Noch bevor sie etwas erwidern konnte, kam ein junges Mädchen ins Prägehaus gerannt. »Änne, schnell, du musst helfen! Eine von den jüdischen Frauen hat vor der Zeit Wehen!«
    »Ich kann keine Kinder auf die Welt holen«, wehrte Änne erschrocken ab. »Ich bin keine Wehmutter.«
    Doch das Mädchen ließ sich nicht abweisen. »Dann bring wenigstens mit, was du dafür an Kräutern hast. Vielleicht treiben wir noch eine alte Gevatterin auf, die sich damit auskennt.«
    Verunsichert sah Änne zu Markus. Der legte ihr beruhigend einen Arm um die Schulter, auch wenn er sie ungern fortließ. »Geh nur! Ein Kind bedeutet immer Hoffnung.«
    Mit einem Mal hatte sie es nicht mehr so eilig zu sterben.
     
    Als der Morgen graute, ging Ulrich in die Kapelle, kniete mit schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Altar nieder und sprach voller Inbrunst ein kurzes Gebet.
    Dann humpelte er hinaus auf den Burghof. Schon nach ein paar Schritten wurde er von einer älteren jüdischen Frau aufgehalten, die ihm ein Bündel entgegenstreckte. Zu seiner Verblüffung sah er, dass es ein Neugeborenes war.
    »Sie ist uns diese Nacht geschenkt worden«, erklärte die Frau freudestrahlend, wahrscheinlich eine der Gevatterinnen, die bei der Geburt zugegen waren. »Ihre Mutter hat sie Tikwa genannt. Das bedeutet Hoffnung. Und sie bittet Euch, ihrem Kind Euern Segen zu geben.«
    Verblüfft und fasziniert zugleich betrachtete Ulrich das winzige Wesen, das im Schlaf die Lippen bewegte. Vorsichtig legte er die schwielige Hand auf das Köpfchen. »Der Herr möge dich segnen und dir ein glückliches Leben schenken, Tikwa.«
    Die Begegnung berührte ihn zutiefst.
    Tikwa. Hoffnung. Gab es noch Hoffnung?
    Das verletzte Bein nachziehend, durchquerte er den Hof. Gewohnheitsmäßig suchte sein Blick dabei nach Roland, bis ihm einfiel, dass der Junge ja nicht mehr sein Knappe, sondern ein Ritter war. Nach einem tiefen Atemzug gab er Befehl, über dem vergitterten Burgtor das Banner des Markgrafen zu schwenken zum Zeichen dafür, dass er Verhandlungen führen wollte.
    Es dauerte eine Weile, bis der aufgedunsene Marschall kam, dessen Namen Ulrich immer noch nicht wusste.
    Solange sie auf ihn warteten, wurde nicht gekämpft. Die Flüchtlinge, die sich mittlerweile auf dem Hof versammelten, nahmen das als gutes Zeichen.
    »Habt Ihr endlich eingesehen, wie aussichtslos Eure Lage ist, Maltitz?«, höhnte der königliche Marschall, als er zu Pferd endlich vor der Burg stand. »Wollt Ihr um Gnade betteln?«
    »Ich will verhandeln!«, rief Ulrich zurück. »Ihr seht, dass Ihr die Burg nicht ohne große Verluste und auch nicht so schnell einnehmen könnt, wie der König es wünscht. Wir haben ausreichend Proviant und Wasser.«
    »Aber die Männer gehen Euch aus, die Kämpfer, nicht wahr, Maltitz? Jetzt schickt Ihr schon Kinder ins Gefecht! Was glaubt Ihr, wie lange Ihr noch durchhaltet?«
    »So lange wie nötig«, antwortete Ulrich fest. »Doch wegen der Frauen und Kinder, der Alten und Gebrechlichen, die auf der Burg Zuflucht gesucht haben, will ich verhandeln. Wenn Ihr ihnen und meinen Männern freien Abzug zusichert, habe ich Vollmacht, Freiheitsstein zu übergeben. Dann kann der König heute Abend schon sein Mahl in der Halle einnehmen.«
    »Freier Abzug auch für Eure Männer? Für die, die sich dem rechtmäßigen König widersetzen? Ihr seid kaum in der Lage, das als Bedingung zu fordern, Maltitz«, schrie der Marschall.
    »Wenn wir sowieso sterben sollen, werden wir es kämpfend tun!«, rief Ulrich zurück, und die Männer hinter ihm klopften herausfordernd mit den Schwertern auf die Schilde. »Dann werdet Ihr erleben, wie lange wir uns halten können, und mit dem Blut Eurer Männer bezahlen! Es sei denn, der König nimmt die

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