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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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seine Loyalität zuerst dem Markgrafen und nicht dem König gehörte.
    »Du kannst mit deiner Frau in mein Haus ziehen, bis du eine neue Wohnstatt hast. Ihr seid mir willkommen.«
    »Danke, mein Freund«, sagte der Silberschmied. »Und lass uns beten für die drei Ratsherren und die Seelen derer, die noch auf der Burg ausharren.«
    Conrads Gesicht verdüsterte sich noch mehr. Er schlug ein Kreuz. Dann ging er zur Marienkirche, um sich mit Pater Clemens um die verwundeten Schildkämpfer zu kümmern. Er musste dringend ein besseres Versteck für sie finden. Denn das eben Erlebte hatte ihm noch einmal gezeigt, dass es genug Verräter gab, die dem König Dinge zutrugen, die ihnen zum Verhängnis werden konnten.
    Nikol Weighart hingegen lief zur Ratsstube. Er hoffte inständig, auf dem kurzen Weg dorthin seine Frau zu treffen, um ihr Trost zu spenden. Sofern es überhaupt noch einen Trost geben konnte.

Sechs Tage
    S echs Tage widerstanden die Männer und Frauen auf der Burg den von allen Seiten anstürmenden Truppen. Sechs Tage, nach denen bald keiner mehr zu sagen wusste, wie er sie überleben konnte. Selbst wer nicht auf den Türmen oder in den Wehrgängen kämpfte, fand kaum Schlaf angesichts der Schreie und der stetigen Angriffe. Es grenzte an ein Wunder, dass sie mit weniger als vierhundert Männern, von denen die Hälfte nicht für den Krieg ausgebildet war, die Angreifer so lange abwehren konnten.
    Attackiert wurden sie nun nur noch von Bogenschützen und über Sturmleitern. Offensichtlich war der König überzeugt, dass es lediglich eine Frage von Tagen war, bis er mit seinem Gefolge auf der eroberten Burg Einzug hielt, und hatte Befehl gegeben, die Festung nicht weiter zu beschädigen.
    Inzwischen gab es so viele Verwundete, dass nicht nur das Prägehaus, sondern auch die Zainegießerei als Lazarett eingerichtet worden war.
    Ulrich von Maltitz wurde irgendwann zwischen einer hastig eingenommenen Mahlzeit und dem Gang zur Schmiede bewusst, dass seine Zeitrechnung mit dem sechsten Tag nach der blutigen Einnahme der Stadt endete, als gäbe es kein Danach mehr.
    Zwei der Knappen, die er gerade erst in den Ritterstand erhoben hatte, waren bereits während der Angriffe umgekommen, und er quälte sich mit der Frage, wer wohl ihren Vätern die Nachricht von ihrem Tod überbringen würde. Er hätte sie gern geschont. Doch trotz der vorgezogenen Schwertleite waren diese jungen Männer bessere Kämpfer als die verängstigten und ungeschulten Flüchtlinge aus der Stadt.
    Mit einer Ausnahme: Christian, der Gassenjunge, dessen rote Haare durch ein Brandgeschoss abgesengt worden waren, kämpfte genauso verbissen und entschlossen wie Ulrichs Ritter und Markus’ Wachen. Es grenzte an Tollkühnheit, was der Zehnjährige mit dem verkrüppelten Fuß auf der Mauer leistete. Rasch hatte sich herausgestellt, dass seine Treffsicherheit mit der selbstgebauten Schleuder der von Markus’ Bogenschützen kaum nachstand. Doch sobald in der Nähe seines Postens jemand über die Sturmleiter die Mauerkrone erklimmen wollte, stürmte er unter rasendem Wutgeheul mit dem Schwert auf ihn los.
    Als der Abend des sechsten Tages nach Einnahme der Stadt heranbrach, hatte wohl auch der Letzte unter den auf der Burg Eingeschlossenen die Hoffnung aufgegeben, dass der Markgraf ein Entsatzheer schickte, das groß genug war, die zehntausend Mann starke Streitmacht des Königs zu bezwingen.
    Zur Abendmesse sprach Pater Gregor ein inniges Gebet, mit dem er um einen unblutigen Ausgang des nächsten Tages flehte. Danach wollte der Kaplan wie üblich umhergehen, um den Mutlosen Hoffnung und den Verzweifelten Trost zu spenden. Doch er kam nicht dazu. Zu viele drängten zu ihm, um sich die Beichte abnehmen zu lassen für den Fall, dass sie den sechsten Tag nicht überlebten.
     
    Nach der Abendmesse trat Änne vor die Tür des Prägehauses, um noch einmal in den Himmel zu schauen, bevor es Nacht wurde. Ausnahmsweise gab es nichts für sie zu tun; Hildegard hatte dem Feldscher genug tüchtige Frauen zur Seite gestellt. Sibylla war sogar fortgeschickt worden, um den Frauen und Kindern mit ein paar Gauklerkunststückchen die Zeit und die Angst zu vertreiben. Sicher war sie jetzt wieder in der Halle und sang, jonglierte mit den Bällen, die sie aus Lumpen gemacht hatte, oder gab Rätsel auf.
    Fröstelnd schlang Änne die Arme um ihren schmalen Leib. Es schneite winzige Flocken, doch sie spürte die Kälte kaum. Ihr Inneres schien wie abgestorben nach all dem, das sie

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