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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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kahlgeschorenen Kopf.
    Nun sah sie beinahe aus wie immer, nur verweint und mit einem zuschwellenden Auge.
    Bedauernd blickte Markus auf die langen Strähnen auf dem Boden. Wie gern hätte er ihr Haar in der Nacht enthüllt und entflochten, um mit seinen Fingern hindurchzugleiten! Seit Tagen schon hatte er davon geträumt.
    »Es wächst wieder nach«, versuchte er sie zu trösten.
    Dann wandte er sich dem Apotheker zu, hinter dessen Rücken händeringend und mit vor Schreck aufgerissenen Augen die Magd stand.
    »Meister Jenzin, schafft Ihr es ohne mich, in der Nacht die Leichen und alle ihre Sachen verschwinden zu lassen? Versteckt sie, der Weinhändler hat bestimmt ein paar leere Fässer draußen stehen. Oder schafft sie in eine Grube. Draußen herrscht Frost, man wird sie so schnell nicht finden. Wenn jemand nach ihnen fragt, dann sagt, sie seien auf die Burg beordert.«
    Jenzin nickte stumm. In seinem Gesicht stand die nackte Angst, von den Königlichen für das Blutbad verantwortlich gemacht zu werden, das in seinem Haus angerichtet worden war. Da war es wohl besser, wenn der Schuldige sofort verschwand, damit ihm niemand vorwerfen konnte, möglicherweise sogar mit ihm gemeinsame Sache zu machen.
    Markus griff nach Ännes Hand. »Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, schiebt alles auf mich. Ich verlasse heute noch die Stadt. Euer Mündel bringe ich in Sicherheit.«
    Änne wollte dagegen protestieren, dass Markus in diesem Zustand die Stadt verlassen wollte, aber er zog sie einfach mit sich nach draußen, ohne abzuwarten, ob der Apotheker einen Einwand hatte. Der war so froh darüber, dass die beiden verschwanden, dass er die übliche Schroffheit gegenüber Änne völlig vergaß.
    Um die toten Soldaten würde er sich in der Nacht kümmern – oder sich irgendetwas anderes einfallen lassen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
     
    »Wohin willst du?«, flüsterte Änne, als sie durch die Gassen hasteten, bemüht, so unverdächtig wie möglich zu wirken. Sie hatten Glück; inzwischen waren kaum noch Menschen unterwegs. Selbst Adolfs Söldner schienen bei diesem Wetter lieber im Warmen zu hocken oder waren auf die Burg befohlen. Wahrscheinlich feierten sie den Sieg.
    Endlich erriet Änne, was sein Ziel war, und atmete auf.
    Markus vergewisserte sich, dass niemand Conrad Marsilius’ Haus bewachte, dann klopfte er an die Tür, um gleich darauf mit schmerzverzerrter Miene die Hand wieder sinken zu lassen.
    Eine alte Magd öffnete die Tür, ebenso mürrisch wie der Arzt selbst.
    »Ihr müsst warten, der Herr sitzt gerade zu Tisch«, raunzte sie. »Und tropft mir nicht das ganze Haus voll mit euren Sachen!«
    »Er ist verwundet«, flüsterte Änne. »Wir können nicht warten, wir müssen noch vor Sonnenuntergang aus der Stadt.«
    Die Magd riss die Augen auf. »Zur Hölle aber auch!«
    Es schien sie nicht zu bekümmern, wie sie fluchte, während sich Änne erschrocken bekreuzigte.
    »Du bist Jenzins Mündel, nicht wahr? Jetzt erkenne ich dich.«
    Änne fragte sich beklommen, wie schrecklich sie wohl aussah, wenn die Alte fragen musste, wer sie war. Sie war oft hier gewesen, um dem Arzt Medikamente zu liefern oder ihm die Wachstäfelchen zurückzubringen, auf denen er die Rezepturen für die Medikamente niederschrieb, die der Apotheker nach seinen Anweisungen fertigen sollte.
    Die Magd verschwand hinter der Tür. Augenblicke später kam Conrad Marsilius, starrte sie kurz an, schüttelte unwirsch den Kopf und forderte sie mit einer Bewegung auf, ihm in die Kammer zu folgen, in der er Kranke behandelte.
    »Was ist geschehen?«, fragte er.
    Markus berichtete in knappen Worten, während Änne ihn auf Anweisung des Arztes vorsichtig aus den Kleidern schälte.
    »Wie kann man nur so närrisch sein, mit solch einer Wunde noch drei Bewaffnete niederzumachen!«, polterte der Arzt, während er sich die Verletzung besah. Doch aus seiner Stimme hörte Änne Sorge, Erleichterung und sogar eine beträchtliche Spur Schadenfreude über das Schicksal von drei der verhassten Besatzer heraus.
    »Gib mir Schafgarbe, Mädchen«, wies er sie an. »Steht dort drüben gleich rechts. Ich hoffe, dass du mich nicht Meister Jenzin verrätst, weil ich mir eigene Vorräte zugelegt habe. Aber der würde wohl nur ungern erklären, wozu er solche Mengen liefern muss.«
    Aus seinen Worten erriet Änne, dass Markus nicht der einzige Verteidiger der Stadt war, den der Ratsherr heimlich behandelte. Vielleicht hielt er sogar ein paar Verwundete bei sich

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